Abschlussarbeit

Wenn Sie das Studium mit einer Sportart vergleichen wollten, was fiele Ihnen ein? Viele denken an Ausdauersport oder sogar einen Marathon: Der Start ist noch vergleichsweise easy, dann folgt vielleicht die eine oder andere Durststrecke in Form eines Motivationstiefs und zum Ende hin werden noch einmal die letzten Reserven aktiviert. Die letzte Etappe bis zum Zieleinlauf ist natürlich besonders herausfordernd. Im Studium ist es das Verfassen der Abschlussarbeit. Sollten Sie auf den ersten qualifizierenden Abschluss zusteuern, dann wird es die Bachelorarbeit sein, beim darauf aufbauenden Master ist es die Masterarbeit.

Ebenso wie man sich z. B. auf einen Langstreckenlauf vorbereitet, sollte man auch die einzelnen Wegabschnitte des Studiums kennen. Glücklicherweise ist das Scheiben einer Abschlussarbeit keine Geheimwissenschaft. Wenn einem dabei dennoch manchmal mulmig ist, liegt das an zweierlei: Zum eine betreten viele Studenten hier Neuland; meist schreibt man eine solche Arbeit ja zum ersten Mal. Und zum anderen geht es ja durchaus um etwas; das Ergebnis beeinflusst die Endnote oft entscheidend. Na und? Kein Grund, bekümmert zu sein. Jedes Jahr werden ungezählte Abschlussarbeiten erfolgreich abgeschlossen (vielleicht heißen sie ja deshalb so?). Und denken Sie daran: Das Ziel all Ihrer bisherigen Mühen rückt in greifbare Nähe. Also wenn das kein Motivationsschub ist!

Anzeige

Hilfreich ist es sicher, wenn man die Anforderungen kennt. In den einschlägigen Prüfungsordnungen heißt es dazu regelmäßig: Studierende sollen zeigen, dass sie in der Lage sind, ein Thema aus Ihrer Fachrichtung innerhalb einer vorgegebenen Zeit wissenschaftlich zu bearbeiten. Nicht mehr und nicht weniger. Sie brauchen also nicht auf den Nobelpreis zu schielen, um eine hervorragende Arbeit abzuliefern.

Je nachdem was Sie studieren, können sich Abschlussarbeiten deutlich voneinander unterscheiden. Das betrifft nicht nur den Umfang (von wenigen dutzend Seiten bis hin zu dreistelligen Seitenzahl ist alles vertreten), sondern ebenso die Themenvielfalt und die methodische Herangehensweise. Einmal ist vielleicht „Feldforschung“ gefragt, etwa durch das Erheben und die Analyse eigener Daten, manchmal erfolgt die Arbeit in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen oder einer Behörde, oft beschränkt sich alles aber auf das Sichten und Auswerten bereits vorhandener (Literatur-)Quellen. Das Verbindende bei alledem sind die wissenschaftlichen Standards, insbesondere der redliche Umgang mit den jeweiligen Quellen. Aber genau damit machen Sie sich ja vorab in Ihrem Studium vertraut – zumindest sollten Sie das.

Und wie geht man nun das Ganze an? Dafür gibt es zwar kein Patentrezept. Dennoch ähnelt sich die Vorgehensweise fachübergreifend in den Grundzügen. Hier ein erster Überblick zur Orientierung (im Übrigen sei auf ausführliche Literatur mit Tipps und Beispielen verwiesen, wie etwa Uwe Manschwetus: Ratgeber wissenschaftliches Arbeiten, 2. Auflage, Lüneburg 2017).

Am Anfang stehen die Wahl des Themas und des Betreuers. Beginnen Sie nicht zu spät mit der Suche. Was mögliche Themen betrifft: Manche Betreuer haben dazu bereits Vorschläge in der Schublade. Die meisten sind aber durchaus offen für Ideen oder erwarten sie sogar. Aber wie findet man ein Thema? Hier gilt: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Es gibt unendlich viele Optionen. Sie liegen quasi auf der Straße. Man braucht sie nur noch zu erkennen und aufzupicken. Sichten Sie beispielsweise einschlägige Fachzeitschriften, um zu sehen was sich aktuell so tut. Oder beleuchten Sie ein vermeintlich schon bekanntes Thema aus einem neuen Blickwinkel heraus. Hilfreich kann es sein, strategisch vorzugehen, wenn Ihre Arbeit Ihnen Türen öffnen und so zum Sprungbrett für den Start in den Beruf werden soll. Mit einer Arbeit zu „Werkzeuge der Konfliktlösung“ werden Sie sicher eine andere Zielgruppe ansprechen können, als mir einer Arbeit zur „Effizienz digitaler Prozesse in der Krankenhausverwaltung“. Also nachgedacht.

Wenn Sie sich mit Ihrem Thema identifizieren, ist das sicher gut. Behalten Sie aber unbedingt die kritische Distanz und damit die wissenschaftliche Perspektive. Es macht also nichts, wenn Sie nicht für Ihr Thema „brennen“. Und noch ein Tipp: Stellen Sie sich eine Forschungsfrage. Das ist etwas „tricky“, denn sie darf nicht zu weit sein, ansonsten sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Sie darf auch nicht zu eng gefasst sein, denn dann kann man womöglich nicht genug schreiben. Die Forschungsfrage ist zugleich Ihre Leitlinie: Alles, was die Forschungsfrage beantwortet, kommt in die Arbeit rein, alles was nicht dazugehört, bleibt konsequent draußen (oder wird allenfalls als ergänzende Information in eine Fußnote verbannt, wenn Sie damit arbeiten). Details besprechen Sie einfach mit Ihrem Betreuer, ebenso inwieweit ein Exposé mit Zielen, Thesen, Grobgliederung etc. gefordert ist.

Sie haben Ihr Thema und eine Betreuung gefunden? Dann können Sie Ihre Abschlussarbeit bei der zuständigen Stelle (z. B. im Studierendensekretariat) anmelden. Dafür gibt es vorbereitete Unterlagen. Dann bekommen Sie das Thema offiziell zugewiesen. Gegebenenfalls müssen Sie bis dahin noch eine kurze Zeit warten, was Sie bei Ihrer zeitlichen Planung ebenfalls berücksichtigen sollten. Ist alles unter Dach und Fach, haben Sie einige Wochen oder ein paar Monate Zeit bis zu Abgabe (sollten unerwartet Schwierigkeiten auftauchen, etwa eine Krankheit etc., können Sie eine Verlängerung beantragen).

Das Schreiben der Arbeit selbst ist dann eher Handwerk. Wichtig dabei: Warten Sie nicht, bis die Muse Sie küsst oder Sie mit einer Eingebung gesegnet werden. Das wird nicht passieren. Wenn es soweit ist, dann legen Sie einfach los. Die fertige Arbeit ist letztlich das Resultat eines Prozesses: Alles beginnt 1. damit, das Thema zu entwickeln (einschließlich der Recherche), 2. die Inhalte zu strukturieren, 3. einen ersten oder weiteren Entwurf einzelner Kapitel anzufertigen und schließlich 4. dem eigene Oeuvre den Feinschliff zu geben (lassen Sie Ihre Arbeit Korrekturlesen!).

Sollten Sie das Gefühl haben, bei Ihnen klappt das nicht so gradlinig mit den Schritten 1 bis 4 – kein Problem. Tatsächlich darf man sich das Schreiben nicht als linearen Prozess vorstellen. Manchmal muss man einfach einen Schritt zurückgehen, um dann wieder voranzukommen. Oder vergleichen Sie es mit dem Jonglieren. Wenn Sie sich dann noch für die einzelnen Phasen ein paar Arbeitstechniken und Vorgehensweisen zurecht legen, dann entwickelt sich alles nach und nach, bis die Arbeit schließlich „im Kasten“ ist.

Apropos Arbeitstechniken Vorgehensweisen: Vermutlich wird sich bei Ihnen ein ganzer Haufen an Büchern, Aufsätzen etc. ansammeln. Sollten Sie mit Literaturverwaltungssoftware arbeiten (z. B. Citavi), dann machen Sie sich schon vorab damit vertraut. Es versteht sich natürlich von selbst, dass Sie die wissenschaftlichen Standards beachten. Ein Zusammenpuzzeln der Inhalte mittels „Copy und Paste“ verbietet sich. Wenn Sie fremde Inhalte 1:1 übernehmen, dann zitieren Sie wörtlich, wenn Sie sie in eigenen Worten wiedergeben, dann nennt man das paraphrasieren. Hier wie dort ist Ihre Quelle zu belegen. Machen Sie sich bei Interesse mit weiteren kreativen Arbeitstechniken vertraut, wie z. B. dem Anfertigen von Notizen mittels der Cornell-Methode oder dem Entwickeln von Gliederungen mit Gedächtnislandkarten (Mind-Maps). Und was Ihren favorisierten Arbeitsort betrifft: Probieren Sie aus, wo Sie konzentriert arbeiten können. Wechseln Sie die Arbeitsumgebung, wenn es Ihrer Motivation hilft. Lassen Sie sich aber nicht vom ständigen Blick auf Ihr Smartphone „app-lenken“ (gegebenenfalls hilft die Pomodoro-Technik; die kennen Sie nicht? Eine einfache Internetrecherche hilft!). Sie sehen, es gibt eine Menge Kniffe. Probieren Sie ein paar Arbeitstechniken schon im Vorfeld aus. Dann können Sie Ihrer Abschlussarbeit gelassen entgegensehen und sich voll und ganz auf darauf konzentrieren. Denn tatsächlich: Sie darf und soll auch Spaß machen. Gutes Gelingen!

Illustration: Ellen Burgdorf auf Basis von bikablo.

André Niedostadek

André Niedostadek ist Professor für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule Harz und Wirtschaftsmediator. Eine Frage, die ihn derzeit als Hochschullehrer, Speaker & Autor umtreibt: Wie werden wir künftig leben, lernen, arbeiten? Hier auf Wissenschafts-Thurm schreibt er insbesondere zu den Themen Recht, Studium und Veränderungen in der Arbeitswelt.

Recent Posts

Neues Projekt vom Team Thurm gestartet

Der Erfolg des Buches "Traumreisen mit dem Luftschiff" von Thurm-Autor Horst Kleinert brachte uns auf…

1 Jahr ago

Neuerscheinung im Thurm-Verlag

50 Tipps und Tricks für die erfolgreiche Bearbeitung und fehlerarme Verausgabung von Fördermitteln in der…

1 Jahr ago

Was sich in meinen Intentionen spiegelt – Frau Professorin Dr. Elisabeth Lukas zum 80. Geburtstag

Am 12.11.2022 vollendet Frau Professorin Dr. Lukas ihr 80. Lebensjahr. Grund genug, ihr von Herzen…

1 Jahr ago

Neuerscheinung im Thurm-Verlag

Was sich in meinen Intentionen spiegeltFestschrift für Elisabeth Lukas Svetlana Shtukareva , Alexander Vesely, Alexander…

2 Jahren ago

Interesse am deep-nature Glamping in Deutschland

von Sven Groß, Jana Culemann und Juliane Rebbe Glamping - Begriff und Entwicklung Glamping ist…

2 Jahren ago

Neuerscheinung im Thurm-Verlag

Horst KleinertOperation LazarusErzählungen Drei spannende Kurzgeschichten über den Mut, der Menschen über sich hinauswachsen lässt.…

2 Jahren ago