Campus-Thurm

Hier darf nicht jeder rein

Numerus Clausus 

In Deutschland hat jeder einen Rechtsanspruch auf einen Studienplatz, denn Artikel 12 des Grundgesetztes garantiert die freie Berufswahl. Da für bestimmte Berufe ein Studium notwendig ist, folgt daraus der Anspruch auf einen Studienplatz. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie vorbehaltslos jedes Fach ihrer Wahl studieren dürfen. Sie benötigen eine Hochschulzugangsberechtigung, die Sie sich in der Regel durch das Abitur oder Fachabitur erwerben. Es können noch weitere Voraussetzungen für einzelne Studienformen notwendig sein (siehe Beitrag 1 „Studienformen“).

Und noch eine Limitation der freien Studienplatzwahl ist für Sie wichtig: Wenn eine Hochschule nachweisen kann, dass die Nachfrage die vorhandenen Kapazitäten an Studienplätzen übersteigt, dann ist eine Zulassungsbeschränkung möglich. Dafür steht der lateinische Begriff Numerus Clausus (NC), was nichts anderes als „beschränkte Anzahl“ bedeutet. Da es sich bei der Zulassungsbeschränkung um einen Eingriff in ein Grundrecht handelt, sind von Seiten der Hochschule hohe gesetzliche Hürden zu überwinden. Anhand von komplizierten Berechnungen ist nachzuweisen, wie viele Studierende maximal in einem Studiengang aufgenommen werden können. Aufgrund der Komplexität des Prozesses schleichen sich bisweilen Fehler oder Ungenauigkeiten ein. Vielleicht haben Sie schon einmal gehört, dass sich Bewerber mit Hilfe spezialisierter Rechtsanwälte in ein Studium einklagen. Dies ist beispielsweise dann möglich, wenn der Hochschule ein Fehler bei der Berechnung der maximal aufzunehmenden Studierenden nachgewiesen werden kann.

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In Deutschland haben immerhin 58% aller Studiengänge gar keinen Numerus Clausus, sind also ohne Zulassungsbeschränkung studierbar. Wenn Sie sich für ein zulassungsfreies Studium entscheiden, ist ihnen der Studienplatz sicher, sofern Sie die Zulassungsvoraussetzungen erfüllen.

Ganz anders ist die Situation bei den Studienangeboten mit Zulassungsbeschränkung. Wie werden hier die knappen Studienplätze auf die Bewerber verteilt? Theoretisch könnte man nach dem Windhundprinzip (zeitliche Reihenfolge) vorgehen oder marktwirtschaftliche Konzepte anwenden und die Studienplätze meistbietend bei Ebay versteigern. Diese Verfahren dürfen aber aufgrund gesetzlicher Rahmenbedingungen nicht praktiziert werden. Die Vergabe soll schließlich an Kandidaten erfolgen, bei denen die Studienerfolgswahrscheinlichkeit am höchsten ist. In diesem Kontext kommt die Abiturdurchschnittsnote als wichtigstes Kriterium ins Spiel. Angenommen für ein konkretes Studienangebot stehen 100 Plätze zur Verfügung, die ausschließlich nach der Abinote verteilt werden sollen. In diesem Fall werden die eingehenden Bewerbungen gesichtet und zuerst die Bewerber mit der Abinote 1,0 berücksichtigt. Dann kommen die Schüler mit der Note 1,1 dran und so weiter, bis das Kontingent ausgeschöpft ist und alle 100 Plätze vergeben sind. Der schlechteste Notendurchschnitt bei dem noch eine Studienplatzvergabe erfolgte, wird als Auswahlgrenze bezeichnet. Umgangssprachlich wird die Auswahlgrenze oft als NC tituliert, was aber nicht korrekt ist, da NC nur für die Zulassungsbeschränkung an sich steht.

Wichtig für Sie an diesem Verfahren ist, dass die Auswahlgrenze immer erst im Nachhinein bestimmt wird. Weiterhin ist das Nachrückverfahren von Bedeutung, das zum Einsatz kommt, wenn Studienbewerber ihren Zulassungsbescheid nicht annehmen. Dies kommt häufig vor, da Mehrfachbewerbungen die Regel sind. Die frei gewordenen Studienplätze werden dann an die zuvor nicht berücksichtigten Bewerber vergeben. Wenn kurz vor Semesterstart immer noch Plätze vorhanden sind, werden diese oft verlost.

Welche Konsequenzen hat das beschriebene Verfahren für Ihre Studienplatzsuche? Angenommen Sie entnehmen der Internetseite einer Hochschule, dass die Auswahlgrenze eines Sie interessierenden Studienganges bei 2,1 liegt. Sie haben aber nur eine 2,3 im Abi. Sie sollten sich in diesem Fall trotzdem bewerben, denn die Auswahlgrenze entstammt der letzten Bewerberrunde und vielleicht melden sich diesmal weniger Studierende oder solche mit schlechteren Noten und die Auswahlgrenze sinkt. Unter Umständen haben Sie auch die Chance im Nachrückverfahren zum Zuge zu kommen oder sogar bei einer eventuellen Verlosung der Restplätze.

Neben der Abiturdurchschnittsnote können noch weitere Kriterien für die Studienplatzvergabe herangezogen werden. So dürfen Hochschulen die Wartezeit, Schulnoten in einzelnen Fächern, Berufserfahrungen, standardisierte Tests, Auswahlgespräche und Ortspräferenzen als Auswahlkriterien mitberücksichtigen.

Wenn die Hochschulen die Vergabe der begrenzten Studienplätze selber organisieren, wird von einem „lokalen NC“ gesprochen. Die Zulassungsvoraussetzungen für einen bestimmten Studiengang wie beispielsweise BWL sind in diesem Fall von Hochschule zu Hochschule verschieden. Wenn Sie aber Medizin, Tiermedizin, Zahnmedizin oder Pharmazie an einer staatlichen Hochschule studieren wollen, dann gelten etwas andere Spielregeln. Sie müssen sich an die Stiftung für die Hochschulzulassung wenden. Bei den genannten Studienfächern ist die Relation von Studienplatznachfrage und -angebot an sämtlichen Hochschulen in Deutschland so ungünstig, dass eine zentrale Vergabe der effizienteste und gerechteste Weg ist. Dabei werden 20% der Studienplätze über die Abiturbestennote, 20% über die Wartezeitquote und 60% über Auswahlverfahren der Hochschulen vergeben. Die Hochschulen definieren also auch bei der bundesweiten Vergabe eigene Regeln, bei denen neben der Abiturnote noch die oben bereits erwähnten Kriterien eine Rolle spielen können.

Die Stiftung für die Hochschulzulassung übernimmt aber auch für einzelne Studiengänge mit örtlicher Zulassungsbeschränkung (lokaler NC) die Vergabe der Studienplätze. Wenn Sie ein Studium beginnen wollen, stehen Sie nun vor der Aufgabe herauszubekommen, welche Bedingungen für Ihr Wunschstudium zutreffen. Neben den Webseiten der Hochschulen, sind die Internetpräsenzen der Stiftung für Hochschulzulassung, der Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz und das Angebot von ZEIT Campus erste Wahl.

Illustration: Ellen Burgdorf auf Basis von bikablo

Uwe Manschwetus

Prof. Dr. Uwe Manschwetus hat seit 1997 eine Professur für Marketing-Management an der Hochschule Harz. Wissenschaftliches Arbeiten und Digitales Marketing sind zwei Schwerpunkte seiner Arbeit.

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