Wirtschaft

Low Cost Carrier weltweit oder warum Billigflieger so billig sind

Durch Liberalisierungen (v.a. sog. Verkehrsrechte und Preise) im Luftverkehr der USA – und später in der EU – ist das Low Cost-Geschäftsmodell überhaupt erst möglich geworden. In den letzten Jahren hat sich dieses Geschäftsmodell auf allen Kontinenten etabliert.

Entwicklung der Low Cost Carrier im weltweiten Luftverkehr

Die sog. Billigfluggesellschaften (auch Low Cost Carrier/Airlines, Low Fare Airlines oder No Frills Airlines) haben den weltweiten Luftverkehr revolutioniert – v.a. nach den Terroranschlägen des 11.09.2001 sind mehr und mehr Low Cost Carrier (LCC) in den Luftverkehrsmarkt eingetreten und konnten hohe Wachstumsraten verzeichnen – auch wenn es das eine Low Cost-Geschäftsmodell nicht gibt und daher alle Daten Ungewissheiten unterliegen, so wurden in den Jahren 2002 bis 2005 die meisten Low Cost Airlines gegründet (2002: 18; 2003: 21, 2004: 24, 2005: 22) (siehe für weiterführende Informationen im Buch „The Low Cost Carrier worldwide“).

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Das Geschäftsmodell der Low Cost Carrier gibt es jedoch schon seit mehr als 50 Jahren – Vorreiter, der heute noch Bestand hat, ist Southwest Airlines. Sie wurde 1967 gegründet und hat 1971 den Flugbetrieb aufgenommen. Der Gründer Herb Kelleher soll sein Konzept 1966 auf eine Serviette gekritzelt haben. Von Southwest hat der europäische Pionier Ryanair Hilfe erhalten, da Michael O`Leary (Chief Executive Officer bei Ryanair) 1992 Einblick in deren Konzept erhalten und dieses modifiziert in Europa eingeführt hat. Unterstützung bekam Ryanair durch eine Liberalisierung des Luftverkehrsabkommens zwischen Großbritannien und Irland. Die Ende der 1970er Jahren begonnene weltweit zu beobachtende Liberalisierung des nationalen Luftverkehrs und der zwischenstaatlichen Luftverkehrsbeziehungen forcierten und forcieren die Entwicklung der Low Cost Carrier.

Flugzeug von Southwest beim Landeanflug in Fort Lauderdale/USA, Foto: Micha Lück

Heutige Bedeutung der Low Cost Carrier

Laut einer aktuellen Studie (2017) der Aviation-Beratungsgesellschaft „International Bureau of Aviation (IBA)“ gibt es weltweit 111 Low Cost Carrier, wobei sie 5% aller Airlines ausmachen. Die meisten Billigfluggesellschaften gibt es mit mehr als 50 Airlines in Asien, gefolgt von Europa – hier gibt es laut dieser Studie 24 Low Cost Airlines.

Europa & GUSAfrikaNord-AmerikaLatein-AmerikaAsien-PazifikNaher OstenGesamt
Anzahl LCC2410108527111
Anteil an allen LCCs21,6%9,0%9,0%7,2%46,8%6,3%
Airlines gesamt621244561187491362.178
LCC-Anteil an allen Airlines3,9%4,1%1,8%4,3%12,1%5,1%
Anzahl Maschinen von LCC1.032551.4604581.2201294.354
Anteil an weltweiter LCC-Flotte23,7%1,3%33,5%10,5%28,0%3,0%

Quelle: vgl. International Bureau of Aviation 2017, S. 54

Für Deutschland selbst werden vom Low Cost Monitor des DLR 18 bzw. 21 der auf deutschen Flughäfen tätigen Airlines klassifiziert, die ganz oder vorwiegend Low Cost Angebote vorhalten. Für Europa werden drei weitere Airlines zum betrachteten Segment hinzugezählt, so dass es laut DLR 21 (bzw. 24) europäische Low Cost Carrier gibt.

Die Marktanteile der Low Cost Carrier ist von Region zu Region unterschiedlich, liegt weltweit gesehen bei ca. 26% (bezogen auf beförderte Passagiere in 2016). Es gibt jedoch auch Ländern bzw. Regionen, in denen mehr als 50% Marktanteil durch die Billigfluggesellschaften zu beobachten sind, wie z.B. in Lettland, in der Slowakei oder Südost-Asien. Im Europaverkehr hat der Low Cost Carrier Markt nach dem DLR einen Anteil von 32% der Flüge in einer Sommerflugplanperiode, gegenüber rund 25% in Deutschland. Rund 68 % der europäischen Flüge werden vorwiegend von den eher klassischen Linien- und Ferienfluggesellschaften durchgeführt. Ein weiterer Teil des Marktes wird von kleineren Regionalfluggesellschaften bedient, die jedoch überwiegend mit einer großen Gesellschaft kooperieren.

Veränderungen im Nachfrageverhalten

Das Nachfrageverhalten hat sich durch die Angebote der Low Cost Airlines geändert. Während früher für die Reisenden der Aspekt des „hin-zu-Reisen“ mit einem bestimmten Ziel bzw. Grund für den Aufenthalt in einer bestimmten Destination im Vordergrund stand, verstärken die Low Cost Angebote den Trend zum „weg-von-Reisen“. In der Folge spielt eine bestimmte Destinationen nicht mehr die große Rolle, sondern das Reisen an sich wird durch „Billig-Angebote“ stimuliert („Hauptsache irgendwo hin, wo genau hin, ist nicht so wichtig.“).

Das Kundenprofil der Billigfluggesellschaften wird v.a. wie folgt umschrieben: jünger, gut verdienend und ausgebildet sowie durchweg versierte Internetnutzer. Während zunächst v.a. Privatreisende als Zielgruppe im Mittelpunkt standen, nutzen mehr und mehr Geschäftsreisende die Low Cost Carrier und können somit zur Senkung der Firmenreisekosten beitragen.

2017 waren es bei easyJet mehr als 20% Geschäftsreisende, auf bestimmten Routen (z.B. London-Glasgow) werden noch höhere Anteile erzielt. Seit 2014 setzt selbst Ryanair auf Firmenkunden bzw. Geschäftsreisende und hat ihre Flüge bspw. über Reisebüro buchbar gemacht, größere Beinfreiheit und den BusinessPlus-Tarife eingeführt

Das Geschäftsmodell der Low Cost Carrier oder warum Billigflieger so billig sind

Bei einer Analyse der unterschiedlichen Low Cost Carrier fällt auf, dass es nicht das eine Low Cost-Geschäftsmodell gibt, welches alle Airlines verfolgen. Es lassen sich jedoch eine Reihe von Merkmalen finden, die typisch für sie sind (vgl. Budd/Ison 2014; Brützel 2017; Gross/Lück/Schröder 2013, S. 9ff.; Groß/Schröder 2007, S. 31ff.):

  • Strategische Flugplanung:
    • (Meist) Point-to-Point-Verkehr, also direkte Flüge zwischen zwei Zielen und keine Umsteigeverbindungen,
    • (Meist) keine Anschlussflüge (intern und Interline), aber sog. „Self-hubbing“ (Passagiere organisieren sich selbst ihre Umsteigeflüge, z.T. mit Hilfe von eigenen Online-Plattformen, wie dohop.com) wird wichtiger,
    • Low Cost Carrier fliegen nicht aus einem oder mehreren Hubs (Drehscheibe), sondern sie unterhalten zahlreiche Home Bases, an denen sie lokale Betriebe mit dort lokal beschäftigten Crews unterhalten. Während die sog. „Full Service Network Carrier“ (wie Lufthansa, Air France, British Airways), wenn überhaupt, und Ferienflieger saisonal Heimatbasen außerhalb ihres Sitzortes nur im Inland (national) unterhalten, stellen sich die LCC häufig kontinental auf. Ryanair unterhält bspw. inzwischen an mehr als 80 Flughäfen in Europa Flugbetriebsbasen.
    • Anflug v.a. von Flughäfen auf Parallelmärkten, d.h. Anflug von Sekundär- bzw. kleineren Flughäfen, die geringe Entgelte für Start und Landungen, pro Passagier, Parkgebühren usw. haben,
    • Häufig Beschränkung auf Kurz- und Mittelstrecke bzw. maximal Flugzeit von 2,5 bis 3 Stunden (v.a. Kontinentalverkehr, obwohl Langstrecken-Angebote zunehmen),
    • Maximierung der Flugzeugumläufe und damit sind Flugzeuge länger in der Luft durch kurze Bodenzeiten (schnelle „turnaround time“),
    • Darüber hinaus haben einige Low Cost Airlines eine einheitliche Flotte (z.B. hat Ryanair nur B737-800). Hierdurch wird bspw. die Flugplanung, Personaleinsatzplanung, Wartung und Instandhaltung vereinfacht und die Ausbildungs-/Weiterbildungskosten werden gering gehalten.
  • Personalpolitik: Eine Auslastung der Arbeitszeit auf das Maximum der gesetzlichen Möglichkeiten, niedrige Tarifabschlüsse bei längeren Arbeitszeiten und Vermeidung von freiwilligen Leistungen und ein Flugbetrieb mit Minimum an Personal (lediglich den gesetzlichen Sicherheitsanforderungen entsprechende Anzahl an Flugbegleitern) wird den Low Cost Carriern zugeschrieben. Auch für die Crewplanung gilt, dass die Planung durch den Point-to-Point-Verkehr erheblich vereinfacht wird.
  • Wenig Verkaufskanäle und starke Fokussierung auf Direktverkauf, speziell über das Internet. Ist der Kunde über die begünstigte Darstellung der Basispreise in den Suchmaschinen erst einmal auf das eigene Portal weitergeleitet worden, so befindet er sich im eigenen Laden und kann das, was ihm dort geboten wird, nicht mehr systematisch mit Wettbewerberangeboten vergleichen. Hierbei gilt, dass die Voraussetzungen für ein „up-selling“ und „cross-selling“ geschaffen sind.
  • Preissystem: Oft wird ein einfaches Preissystem angewendet (Ryanair hat bspw. die drei Tarife Standardtarif, Leisure Plus und Business Plus) und der (vermeintlich) niedrigere Preis ist die wichtigste Marketingbotschaft.
  • Hohe Bedeutung der sog. „Ancillary Revenues“ bzw. Produktdifferenzierung à la carte:
    • Die von den Low Cost Carriern ausgewiesenen Ticketpreise enthalten nur die reine Beförderung und (durch gesetzliche Vorgaben) die Leistungsbestandteile, die zwangsläufig damit verbunden sind, wie z.B. Passagiersteuern und passagierabhängige Entgelte für Handling und Terminalnutzung. Das Bordservice-Angebot ist umfassend, jedoch nicht im eigentlichen Ticketpreis enthalten, also kein Essen und Trinken an Bord, keine reservierten Sitzplätze, keine Gepäckmitnahme usw. Diese kann jeder Fluggast buchen und sich somit sein individuelles Produkt zusammenstellen. Die Airlines verdienen nicht an dem Grundpreis, sondern an Extras und Nebenleistungen, die auch als Ancillary Revenues bezeichnet werden.
    • Diese lassen sich z.B. über folgende zusätzliche Angebote erwirtschaften: Flugversicherung, Online Check-in, Sitzplatzreservierung, bevorzugte Boardingzeiten, besondere Sitzplätze (z.B. Fenster, Lage, Art und Abstand), Getränke/Essen, Gepäck (Gewicht, Anzahl und Größe), C02-Kompensation und Lounge-Zugang; Negative Zusatzkosten für „schlechtes“ Verhalten: Übergewicht, Offline Check-in, und Kommissionen von Hotels und Mietwagenfirmen.
    • Diese Einnahmen liegen bei Southwest und Ryanair im Jahr 2016 bei ca. 2,4 bzw. 1,7 Mrd. Euro. Der Anteil der Ancillary Revenues an den Gesamteinnahmen liegt bei einigen Low Cost Carrier bei über 40% bzw. bei ca. 40 € pro Passagier (z.B. jeweils Spirit und Frontier) (vgl. Sorensen 2017, S. 4ff.).
  • Wettbewerbsverhalten: Wettbewerb mit Network Carriern, aber möglichst wenig Konkurrenz mit anderen Low Cost Carriern innerhalb des Low Cost-Sektors. In Europa werden bspw. im Jahr 2017 von rund 9.200 bedienten Strecken ca. 83% von nur einem Low Cost Carrier bedient, ca. 1.400 Strecken von zwei Low Cost Carriern gleichzeitg und auf ca. 200 Strecken gibt es mehr als zwei Low Cost Carrier. Im Vergleich zu den Jahren zuvor nimmt der Wettbewerb der Low Cost Carrier auf gleichzeitig beflogenen Strecken in Europa zu, ist jedoch immer noch relativ gering (vgl. DLR 2017, S. 8f.).
Ryanair-Maschine am Flughafen Köln/Bonn, Foto: Micha Lück

Die besten Low Cost Carrier

Das bereits in einem anderen Blogbeitrag thematisierte Unternehmen Skytrax zeichnet auch die besten Low Cost Carrier aus. Es werden verschiedene Rankings veröffentlicht und zwar auf Basis einer Online-Umfrage, bei der ca. 20 Mio. Personen aus mehr als 100 Ländern teilnehmen und 320 Airlines anhand eines 49 Punkte umfassenden Kriterienkatalogs bewertet werden. Die Rankings beziehen sich auf die weltbesten LCCs, die besten in acht Regionen (Afrika, Asien, Australien/Pazifik, Europe, Naher Osten, Nordamerika, Südamerika und Asien/Indien), die beste Langstrecken-LCC, die beste LCC-Premium-Kabine und die Low Cost Airlines mit dem besten Premium-Sitz. Nachfolgend die TOP10 der weltbesten Low Cost Carrier (nach Skytrax):

  1. AirAsia
  2. Norwegian
  3. jetBlue Airways
  4. easyJet
  5. Virgin America
  6. Jetstar Airways
  7. AirAsiaX
  8. Azul Linhas Aéreas Brasileiras
  9. Southwest Airlines
  10. Indigo
AirAsia am Flughafen in Sydney/Australien, Foto: Micha Lück

Quellen:

  • Budd, L./Ison, S. (2014): Low Cost Carriers – Emergence, Expansion and Evolution, Farnham.
  • Brützel, C.: Die Geschäftsmodelle der Billigflieger, in: Airlines.de 04.01.2017
  • DLR – Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (2017): Low Cost Monitor II/2017, Köln.
  • Gross, S./Lück, M./Schröder, A. (2013): Low Cost Carrier – A worldwide phenomenon?!, in: Gross, S./Lück, M. (Hg.): The Low Cost Carrier Worldwide, London, S. 3-15.
  • Groß, S./Schröder, A. (2007) (Hg.): Handbook of Low Cost Airlines – Strategies, Business Processes and Market Environment, Berlin.
  • Sorensen, J. (2017): The 2017 CarTrawler Yearbook of Ancillary Revenues, Shorewood.

Dies ist ein überarbeiteter Auszug vom „Handbuch Tourismus und Verkehr“, 2. Auflage, Konstanz/München 2017.

Beiträge dieser Serie

Der Beitrag erschien zuerst auf www.wirtschafts-thurm.de

Sven Groß

Dr. Sven Groß ist seit 2005 Professor für Management von Verkehrsträgern an der Hochschule Harz. Seine Forschungsschwerpunkte sind Tourismus und Verkehr, Travel Management, Abenteuertourismus sowie touristische Marktforschung. In diesen Themenfeldern hat er fast 100 Beiträge publiziert. Zusammen mit seiner Frau Prof. Dr. Matilde S. Groß ist er Betreiber des Informationsportals www.tourismusundverkehr.de. Dort steht u. a. eine umfangreiche Sammlung an Informationsquellen in den Themenfeldern Tourismus und Verkehr zur Verfügung.

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