Wissenschaftliche Veröffentlichungen

Wenn Professorinnen und Professoren nicht gerade unterrichten oder sich in einem von zahlreichen hochschulinternen Gremien engagieren, kommen sie vermutlich ihrer zweiten Hauptaufgabe nach – der Forschung. Wie geforscht wird, variiert zwischen den Disziplinen und auch innerhalb einzelner Disziplinen erheblich. Während die Klimatologin Eisbohrkerne aus der Arktis untersucht, widmet sich der Archäologe der Klassifizierung antiker Tonscherben – und während die Sozialwissenschaftlerin eine Gruppendiskussion über Mobbing am Arbeitsplatz moderiert, überprüft der Materialforscher die Resilienz eines neuen Verbundstoffs durch Kältetests in einem Klimaschrank.

Veröffentlichung in anerkannten Fachzeitschriften

Neben dem Umstand, dass ein Großteil aller Forschung weder im Dschungel noch im Windkanal, sondern ganz unspektakulär vor einem Computerbildschirm stattfindet, eint ein weiterer Aspekt sämtliche Disziplinen: Das ultimative Ziel jedes Forschenden ist die Veröffentlichung der Ergebnisse in einer anerkannten wissenschaftlichen Fachzeitschrift. Nur publizierte Ergebnisse, die ein sogenanntes Peer-Review-Verfahren durchlaufen haben, gelten in der wissenschaftlichen Gemeinschaft als anerkannt, weshalb das Verfassen solcher Beiträge zum Grundhandwerk aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehört (die ja im wahrsten Sinne des Wortes „Wissen schaffen“ und es damit natürlich auch für andere zugänglich machen wollen).

Die Publikationstätigkeit ist daher auch von zentraler Bedeutung für wissenschaftliche Karrieren. Wie viel, mit wem, zu welchen Themen und vor allem in welchen Zeitschriften man publiziert hat und wie oft die eigenen Beiträge von anderen zitiert wurden, spielt nicht nur bei der Berufung neuer Professorinnen und Professoren eine entscheidende Rolle, sondern wirkt sich später auch auf deren Chancen aus, Gelder für die eigene Forschung einzuwerben. „Publish or perish“ (Veröffentliche oder geh zugrunde) ist daher jedem, der in der Hochschulforschung tätig war oder ist, als ein geflügeltes Wort geläufig. Grund genug, um sich genauer mit dem Kernmechanismus des wissenschaftlichen Publikationswesens zu befassen – dem Peer-Review-Verfahren.

Das Peer-Review-Verfahren

Reicht eine Autorin oder ein Autor einen Text bei einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift ein, deren Redaktion ein Peer-Review-Verfahren betreibt, so wird der Beitrag – nach einer ersten und oberflächlichen Qualitätskontrolle durch die Redaktion – anonymisiert und (meist) drei Gutachterinnen und Gutachtern mit ausgewiesener Expertise im jeweiligen Fachgebiet (den Peers) zur Verfügung gestellt, die um eine Einschätzung der Qualität und Wissenschaftlichkeit des Textes (das Review) gebeten werden. Die sogenannten Reviewer lassen ihre Hinweise und Kommentare der Redaktion zukommen, die diese – ebenfalls in anonymisierter Form – an die Autorinnen und Autoren weiterleitet, die ihren Beitrag dann entsprechend anpassen oder ergänzen können. In der Regel durchläuft ein Artikel mehrere solche Begutachtungszyklen, bevor er dann (manchmal erst nach Jahren) publiziert (oder endgültig abgelehnt) wird.

Bildquelle: Uwe Manschwetus erstellt mit DALL-E

Das Verfahren basiert auf der Annahme, dass die Wissenschaft sich nur selbst kontrollieren kann. Weil kein auch noch so gut ausgebildeter Redakteur einer Fachzeitschrift dazu in der Lage wäre, die Korrektheit neuester Erkenntnisse aus den unterschiedlichsten Forschungsprojekten zu bewerten, kann diese Aufgabe nur von Leuten übernommen werden, die über viele Jahre an Forschungserfahrung im gleichen Themenfeld verfügen. Die beidseitige Anonymität des Verfahrens soll dabei sicherstellen, dass sich persönliche Bekanntschaften oder Animositäten nicht auf die Integrität des Verfahrens auswirken können – eine Rahmenbedingung, die gerade bei Nischenthemen, zu denen weltweit nur eine Handvoll an Personen forscht, nicht immer eingehalten werden kann. Funktioniert das Verfahren wie gewünscht, bietet es dem späteren Leser des Fachartikels theoretisch ein hohes Maß an Sicherheit, da er sich nicht nur darauf verlassen kann, dass der Beitrag von Expertinnen und Experten verfasst wurde, sondern darüber hinaus davon ausgehen darf, dass andere Expertinnen und Experten aus genau diesem Forschungsfeld das Vorgehen und die Ergebnisse geprüft und für qualitativ hochwertig befunden haben.

Kritik am Peer-Review-Verfahren

Schaut man genauer hin, zeigen sich jedoch auch Mängel im Verfahren. Da die Gutachtertätigkeit in der Regel nicht bezahlt wird, erfolgt sie gelegentlich auch nur oberflächlich oder wird – von sogenannten Predatory Journals – sogar vorgetäuscht. So gelang es etwa dem Journalisten John Bohannon im Jahr 2013, einen Testartikel mit absichtlich eingefügten schweren Mängeln erfolgreich in über 150 Open Access-Zeitschriften zu platzieren – obwohl angeblich überall eine gründliche Begutachtung durchgeführt wurde. Alternative Formen der Qualitätskontrolle (beispielsweise offene Online-Reviews) werden gegenwärtig erprobt, konnten sich jedoch noch nicht etablieren.

Nicht nur das Peer-Review-Verfahren, sondern auch der hohe Publikationsdruck auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stehen zunehmend in der Kritik. Der Output an wissenschaftlichen Veröffentlichungen steigt jedes Jahr um rund zehn Prozent an und bewegt sich derzeit auf gut drei Millionen Fachartikel pro Jahr zu. Bereits seit Jahren regen sich Zweifel daran, ob diese Vielzahl an Artikeln überhaupt noch gelesen und rezipiert wird, oder ob der Nutzen eines Großteils an Veröffentlichungen sich nicht am Ende allein darin erschöpft, den Autorinnen und Autoren wieder einen „Publikationspunkt“ im ewigen Wettrennen um Jobs und Fördergelder beschert zu haben.

Grundregeln wissenschaftlichen Schreibens gelten auch für Studierende

Abgesehen davon, dass man im Rahmen eines Studiums zahlreiche wissenschaftliche Publikationen lesen wird, wird jeder Studierende übrigens mindestens mit einem wichtigen Aspekt des wissenschaftlichen Publikationswesens in Berührung kommen: Der Vielzahl an Regeln, die für die Formulierung und Formatierung wissenschaftlicher Texte gelten. Spätestens für die eigene Bachelorarbeit – vermutlich aber deutlich früher – wird man sich mit den Grundregeln des sogenannten wissenschaftlichen Schreibens auseinandersetzen müssen, das sich erheblich vom Schreiben von journalistischen oder prosaischen Texten unterscheidet. Wie zitiere ich beispielsweise ein Buch – und wie eine Internetseite? Warum darf ich – auch wenn ich über mein eigenes Handeln schreibe – in den meisten Disziplinen keine „Ich-Form“ verwenden? Und wie finde ich in der Fülle an Veröffentlichungen überhaupt die für mich relevanten Publikationen?

An jeder Hochschule gibt es hierfür verpflichtende oder fakultative Kurse für wissenschaftliches Schreiben, die man in jedem Fall wahrnehmen sollte. Gerade wer mit dem Gedanken spielt, im Anschluss an das Bachelor- noch ein Masterstudium aufzunehmen, oder vielleicht sogar darüber hinaus im Wissenschaftsbetrieb zu verbleiben, ist gut beraten, sich frühzeitig und gründlich mit den Grundregeln des wissenschaftlichen Schreibens vertraut zu machen.

Christian Reinboth

Christian Reinboth ist Wirtschaftsinformatiker und einer der Mit-Gründer der HarzOptics GmbH, einem An-Institut der Hochschule Harz. Die Entwicklung und Planung umweltfreundlicher Beleuchtung sowie die statistische Datenanalyse sind wesentliche Schwerpunkte seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit.

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