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MOOCs – Massive Open Online Courses

Der Trend zur Digitalisierung macht auch vor dem Bildungssektor nicht halt – längst ist das Internet neben klassischen Hörsälen, Seminarräumen, Laboren und Bibliotheken zu einem vielgenutzten Lehr- und Lernraum avanciert. Neben der Nutzung von Online-Angeboten der eigenen Hochschule lohnt sich auch der Blick über den Tellerrand: Im Rahmen sogenannter MOOCs – Massive Open Online Courses, also Online-Kursen für eine große Anzahl von Teilnehmenden – öffnen zahlreiche Hochschulen weltweit ihre Lehrangebote. Im Rahmen eines solchen Online-Kurses können dabei hunderte – bisweilen sogar tausende – von Interessentinnen und Interessenten gemeinsam eine Vorlesung erleben und sich über deren Inhalte austauschen.

Ursprung der MOOCs

Die heute als MOOCs bekannten Online-Kurse nahmen ihren Anfang in den Versuchen der späten 1990er und frühen 2000er, die klassische Fernlehre (mit postalisch versandtem Lehrmaterial) in die digitale Welt zu übertragen. Die ersten MOOCs im heutigen Sinne wurden im Jahr 2011 durch drei Professoren und eine Professorin an der renommierten Stanford University angeboten, die mit der Online-Öffnung ihrer Lehrangebote zu Datenbanken, maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz mit mehr als 250.000 weltweiten Anmeldungen und 43.000 ausgestellten Zertifikaten einen Überraschungserfolg erzielten, der ganz maßgeblich zur Gründung der bis heute führenden MOOC-Plattformen Coursera, edX, Udacity (alle 2012) und Iversity (2013) beitrug.

Bestandteile eines MOOCs

Was genau ist aber nun ein MOOC? Ein „klassischer“ MOOC besteht aus (oft in kurze Segmente unterteilten) Video-Aufzeichnungen von Vorlesungen und Tutorien sowie aus begleitenden Lehrmaterialien und Aufgaben zur Selbstlernkontrolle, meist ergänzt durch ein Forum, in dem die Teilnehmenden sich untereinander sowie mit den Lehrenden austauschen können. Aufgrund der großen Teilnehmerzahlen ist eine vom Lehrenden persönlich bewertete Lernerfolgskontrolle (wie etwa eine Klausur) nicht möglich, so dass viele MOOC-Anbieter bereits frühzeitig auf automatisch bewertete Prüfungen (etwa im Multiple Choice-Format oder in Form von funktionsüberprüfbarem Quellcode) setzten, wie sie an deutschen Hochschulen aktuell ebenfalls Einzug halten. Wo solche Prüfungsformen nicht ausreichen, wird bisweilen auf ein studentisches Peer Review-Verfahren zurückgegriffen, bei dem Studierende nach Einreichung ihrer Prüfungsleistung eine Bewertungsmatrix erhalten, auf deren Basis sie die Prüfungsleistungen einiger Mitstudierender zu evaluieren haben.

Neben diesen xMOOCs („x“ für „Extension“ im Sinne der Erweiterung eines bereits existierenden Lehrangebots in die digitale Welt) erfreuen sich die stärker auf Kooperation und Kollaboration zwischen den Teilnehmenden ausgerichteten cMOOCs („c“ für „Collaboration“) zunehmender Beliebtheit. Die Anbieter solcher Kurse setzen weniger auf die direkte Wissensvermittlung im Sinne einer digitalen Äquivalenz zum klassischen Frontalunterricht, als mehr auf die indirekte Wissensvermittlung durch Austausch und Diskurs, weshalb auch Blogs und Social Media gut in cMOOCs integriert werden können.

Vorteile von MOOCs

Der wesentliche Vorteil von MOOCs – egal ob nun xMOOCs oder cMOOCs – ist offensichtlich: Man kann zeit- und ortsunabhängig an ihnen teilnehmen und sie somit flexibel mit beruflichen, familiären oder sonstigen Verpflichtungen verbinden. Auch mit einem Vollzeit-Studium ist die Teilnahme an MOOCs leicht vereinbar – was es wiederum Studierenden ermöglicht, den Inhalt einer besonders schwierigen oder interessanten Vorlesung noch durch die parallele Teilnahme an weiteren Online-Vorlesungen zum gleichen Thema zu vertiefen. Die charakteristische Flexibilität von MOOCs setzt sich auch im Umgang mit dem Lehrmaterial fort, kann man doch den Lehrenden jederzeit unterbrechen oder komplexe Passagen beliebig oft wiederholen lassen.

MOOC
Bildquelle: Uwe Manschwetus erstellt mit DALL-E

Viele MOOCs – auch die großer und international bekannter Hochschulen wie etwa des Imperial College London, der Johns Hopkins University oder der TU München ­– werden zudem kostenfrei oder gegen äußerst geringe Gebühren angeboten. Und auch wenn ein klarer Trend zur Monetarisierung zu beobachten ist, besteht bei vielen kostenpflichtigen Kursen nach wie vor die Möglichkeit der kostenfreien Teilnahme in Form eines sogenannten „Audits“, bei dem nur zahlen muss, wer nach erfolgreichem Abschluss des Kurses auch einen Lernnachweis (etwa ein Zertifikat) ausgestellt bekommen möchte.

MOOCs bieten zudem allen Noch-Nicht-Studierenden, die noch mit sich hadern, ob es nun Sozialpädagogik oder vielleicht doch Biochemie werden soll, einen großen Nutzen: Im Netz kann man schon als Schülerin oder Schüler in beliebige Fachgebiete hineinschnuppern und erhält eine gute Vorstellung davon, ob man sich auch längerfristig für deren Themen begeistern kann.

Nachteile von MOOCs

Selbstverständlich ist die netzbasierte Lehre im Vergleich zur Teilnahme an klassischen Vorlesungen auch mit Nachteilen verbunden ­– erwähnt seien neben dem fehlenden „Hörsaal-Feeling“ und dem geringeren sozialen Lerndruck auch die vielfältigen Möglichkeiten für Betrug. Obwohl es erste Versuche mit der Nutzung von Webcams oder mit Algorithmen zur Erkennung individueller Schreibstile gibt, ist es doch noch vergleichsweise einfach, bei Online-Prüfungen auf verbotene Hilfsmittel zurückzugreifen. Die oft hohen Abbrecherquoten werden von MOOC-Kritikern zudem als Beleg dafür betrachtet, dass ein Großteil der Teilnehmenden die Kurse nicht ernsthaft verfolgt.

Ein Teil der äußerst harschen Kritik aus den Reihen der Bildungsforschung dürfte auch auf den Umstand zurückzuführen sein, dass sich die idealistische Hoffnung, MOOCs könnten das Bildungswesen grundlegend reformieren und Zugänge zu höherer Bildung für völlig neue Zielgruppen schaffen, nicht bewahrheitet hat: MOOCs werden primär von denjenigen erfolgreich absolviert, die auch an althergebrachten Bildungsangeboten teilhaben. Die Enttäuschung über diesen Umstand trug dazu bei, dass MOOCs in der Bildungsforschung einen ebenso rasanten Fall wie Aufstieg hinlegten – galten sie noch um 2013 als Prototypen für die moderne digitale Lehre, betrachteten viele Expertinnen und Experten sie bereits zwei Jahre später als gescheiterte Lernform.

Die Zukunft der MOOCs

Unattraktiv sind sie deshalb aber offenbar noch lange nicht: Im Jahr 2017 wurden allein auf der MOOC-Plattform Coursera rund 100 Millionen Dollar umgesetzt, wobei ein Zehntel dieses Umsatzes bereits auf Programme entfiel, die mit einem akkreditierten Bachelor- oder Master-Abschluss enden. Zum jetzigen Zeitpunkt sind MOOCs also alles andere als tot – aber eben auch nicht der erhoffte große Durchbruch. Ob einem die digitale Form der Lehre ganz persönlich liegt, sollte man am besten im Selbstversuch herausfinden: Eine Vielzahl von MOOCs wartet nur einen Mausklick weit entfernt…

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