Schon einmal etwas von Peer Review gehört? Es ist ein Verfahren zur Qualitätssicherung wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Doch scheinbar funktioniert die Methode nicht sonderlich gut, denn in der Vergangenheit gab es eine Reihe von Skandalen um Publikationen in wissenschaftlichen Journalen. Nun liegt ein neuer aktueller Fall auf dem Tisch. Der renommierte medizinische Fachverlag BioMed Central musste 43 wissenschaftliche Studien zurückziehen, da es Manipulationen beim Peer Review Verfahren gegeben hat. Was war passiert?
Der Einfluss von Agenturen
In diesem Fall haben Agenturen den Begutachtungsprozess der Forschungsergebnisse systematisch beeinflusst. Solche Agenturen sollen den Forschern eigentlich helfen, ihre Forschungsergebnisse in sogenannten Peer Review Journalen veröffentlichen zu können, indem die Texte sprachlich und inhaltlich optimiert werden. Eine Manipulation des Begutachtungsprozesses selber darf natürlich nicht erfolgen – fand in diesem Fall aber statt.
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Was ist eigentlich ein Peer Review Verfahren?
Die Idee hinter dem Peer Review Verfahren ist einfach. Wer kann die Arbeit eines Wissenschaftlers am besten beurteilen? Antwort: Andere Wissenschaftler. Diese gleichrangigen und ebenbürtigen Fachkollegen (engl. Peer) überprüfen den Text und schreiben eine Bewertung (engl. Review). Dieses Gutachten entscheidet darüber, ob der wissenschaftliche Artikel veröffentlicht werden kann. Das Prozedere verläuft meistens so, dass Wissenschaftler ihre Texte zunächst an den Herausgeber des Journals schicken und dieser dann 2-4 fachkundige Kollegen beauftragt, die Papiere zu begutachten. Auf der Grundlage dieser Empfehlungen entscheidet dann der Herausgeber über Annahme oder Ablehnung der eingereichten Beiträge. Ausgehend von diesem Grundprinzip gibt es sehr viele verschiedene Ausprägungen dieser Methode. DAS Peer Review Verfahren existiert also nicht, sondern verschiedene Varianten wie beispielsweise das „Double-Blind Peer Review“ bei dem der Begutachtete und die Gutachter anonymisiert sind.
Kritik am Peer Review Verfahren
Ausgelöst durch Skandale wie den eingangs zitierten Fall, wird die Frage, wie sich die Güte wissenschaftlicher Veröffentlichungen prüfen lässt, zunehmend intensiver diskutiert. Dabei ist auch das Peer Review Verfahren in die Schusslinie geraten. Kritiker wie Gerhard Fröhlich, Wissenschaftsforscher an der Johannes Kepler Universität Linz, bemängeln, das Peer Review Verfahren …
- sei zu langsam und zu teuer.
- wäre ungerecht, weil es bekannte Persönlichkeiten (Old Boy Effekt) bevorzugt.
- benachteilige Frauen, durch die meist männlichen Gutachter.
- sei innovationsfeindlich, weil es etablierte Methoden und Denkweisen präferiert.
- führe zu Vetternwirtschaft, da sich Kollegen aus einem gemeinsamen Forschungskontext gegenseitig gut beurteilen und fremde Ideen ablehnen.
- sei als unzuverlässig, da die Gutachter häufig verschiedener Meinung sind.
Fehler im System
Die Diskussion, um den besten Weg zur Qualitätssicherung wissenschaftlicher Publikationen ist in vollem Gange. Verbesserte Qualitätsverfahren wären ein Fortschritt, doch würden sie die tieferliegenden Ursachen des Problems nicht beseitigen. Warum tricksen, fälschen und manipulieren Wissenschaftler, um Veröffentlichungen in renommierten Wissenschaftsjournalen zu bekommen? Die Ursachen sind im Wissenschaftssystem zu sehen, das die Leistung von Wissenschaftlern zunehmend am quantifizierbaren Output misst. Die Anzahl an Veröffentlichungen entscheidet über Karrieren. Bei der Besetzung von Professorenstellen, in Bleibeverhandlungen, bei der Festsetzung der Gehälter und bei der Verteilung von Forschungsgeldern zählen qualifizierte Veröffentlichungen. Auf diese Weise entsteht ein enormer Publikationsdruck, dem die Wissenschaftler ausgesetzt sind. Da jeder Einzelne versucht möglichst viel Output zu generieren, entsteht eine Publikationsflut enormen Ausmaßes. Bereits 2006 soll es weltweit 1,35 Millionen Peer Review geprüfte Artikel gegeben haben. Die Zahl dürfte heute um ein Vielfaches höher sein. Es kann ja im System etwas nicht stimmen, wenn der Physiknobelpreisträger Peter Higgs mit Blick auf die Anzahl seiner Publikationen erklärt, er würde wahrscheinlich heutzutage keinen akademischen Job mehr bekommen, weil er nicht produktiv genug sei.