Was bedeutet der Begriff der „Gleichstellung“?
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dieser Satz in Art. 3, Abs. 2 aus dem Grundgesetz steht für ein modernes, offenes Deutschland. Die Gleichstellungspolitik diskriminiert nicht Männer, fördert aber mit Maßnahmen die Herstellung von Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern in Wissenschaft und Forschung. Die BuKOF (Bundeskonferenz der Frauen – und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen) beschäftigt sich zum Beispiel mit Themen wie „Mutterschutz für Studentinnen“, erarbeitet intensiv Entwürfe und Stellungsnahmen, um strategisch bei politischen Entscheidungen mitzuwirken.
Wie kommt es, dass Frauen an Hochschulen und später in der Arbeitswelt immer noch um Gleichberechtigung kämpfen müssen?
Bei der Bevölkerungszahl werden Frauen mit einem Anteil von rund 51% und die Männer mit 49 % repräsentiert. Mädchen besuchen überdurchschnittlich oft Schulen, die zu einem höheren Schulabschluss führen. Es studieren 52 % Frauen und 48 % Männer. Jedoch wurde 2007 vom Wissenschaftsrat festgestellt, dass Hochschullehrerinnen und Wissenschaftlerinnen in den Führungsetagen der Hochschulen oder Forschungsinstitute immer noch deutlich unterrepräsentiert sind. (Destatis, Auf dem Weg zur Gleichstellung, 30. Juli 2014)
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Ein Blick auf die Lehrenden an den deutschen Hochschulen lässt erkennen, dass auf der wissenschaftlichen Karriereleiter, bis hin zur Professur, nach wie vor ein Ungleichgewicht vorherrscht. Der Anteil der weiblichen Professuren an Hochschulen beträgt aktuell circa 21%, davon sind überdurchschnittlich viele befristet sowie Teilzeit beschäftigt. Der Frauenanteil nimmt zwar auf allen Karrierestufen kontinuierlich zu, ist aber zum Beispiel bei den Professuren mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von 0,7% immer noch sehr gering (Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung, 2015).
Zudem lässt sich feststellen, dass der Anteil von Frauen in Entscheidungspositionen, wie beispielsweise in den Gremien der Hochschulen, noch dürftig ist und je höher die Besoldungsgruppe, desto niedriger der Anteil der Frauen. Diese Tatsache stellt ein enormes Problem dar, weil dadurch zum einen ein sehr männlich geprägtes Bildungssystem im Wissenschaftssystem in Deutschland vorherrscht aber vor allem auch, weil auf (weiblich-) intellektuelles Potenzial verzichtet wird.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) versucht z. B. Frauen besonders in naturwissenschaftlich-technischen (MINT-) Berufen zu fördern, um das Potenzial von Frauen zu nutzen und Chancengleichheit zwischen Mann und Frau zu erreichen. Darüber hinaus wurde auch ein Professorinnen-Programm gefördert. (Destatis, Auf dem Weg zur Gleichstellung, 30. Juli 2014) Leider zeigt die Realität oft, dass solche Programme in der Praxis schwer durchzuführen sind.
Wie ist der Stand der Gleichstellung in der Wirtschaft?
Laut einer Studie des World Economic Forum liegt Deutschland im Ranking der besten Länder für arbeitende Frauen nur auf Platz 15 – sogar hinter Israel und der Slowakei. Grund für die schlechte Platzierung sind die geringe Frauenquote in Führungspositionen und die hohe Differenz zu den Gehältern der männlichen Kollegen und die Familienpolitik. In den Aufsichtsräten der deutschen DAX-Unternehmen sitzen durchschnittlich nur 21,4% Managerinnen, Frauen verdienen durchschnittlich 22% weniger als Männer im gleichen Beruf und noch immer müssen sich Frauen oft zwischen Beruf und Familie entscheiden (Tagesspiegel 2015).
Wenn der Grund für diese Unterschiede nicht im Gesetz liegt, wo findet man ihn dann?
Er befindet sich in den Köpfen der Menschen, wo die traditionelle Rollenverteilung durch die Erziehung, trotz des modernen und offenen Deutschlands, immer noch stark verankert ist. Die Abgrenzung zwischen Jungen und Mädchen beginnt bereits bei der Wahl der Babykleidung, bei der Zimmerfarbe und der Auswahl des Spielzeugs. Die Rollenverteilung aus vergangenen Jahrhunderten wird schon in der frühen Kindheit wieder aufgegriffen und in den Köpfen der Heranwachsenden verinnerlicht. Keine Überraschung also, dass alte Klischees immer noch an den Geschlechtern haften: „Mädchen sind schlecht in Mathe, interessieren sich nicht für Technik, sind dafür aber kommunikativer, sozialer, lieber, netter. Jungen sind lauter, logischer, stärker!“
Geprägt von diesen Rollenvorstellungen, wird die Auswahl des Studienfaches und des Berufes getroffen und Bewerbern wird nach geschlechtsspezifischen Charaktereigenschaften wie Verantwortung, Belastbarkeit oder Durchsetzungsfähigkeit unbewusst zu- oder abgesagt. Das Bewusstsein der Deutschen ist also immer noch auf einem alten Stand, der sich nicht genügend an moderne Entwicklungen angepasst hat. Tatsächlich ist es nämlich so, dass 52% der Abiturienten weiblich sind und Mädchen somit die gleiche Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Karriere haben wie Jungen (Statistisches Bundesamt, 2014). Je höher die Qualifikation und der Status, desto geringer wird allerdings der Anteil der weiblichen Mitstreiterinnen. Auch hier findet man als Hauptgrund wieder die verinnerlichte Rollenverteilung und die damit einhergehende Wahl der Studienfächer.
Wie können die Hochschulen aktiv für die Gleichstellung wirken?
Dies ist der Punkt, an dem die Universitäten und Hochschulen aktiv werden können und auch müssen. Eine hochschulinterne Gleichstellungsstelle gilt als Grundvoraussetzung, um dem Thema die nötige Aufmerksamkeit schenken zu können. Gleichstellung wird oft als synonym mit Chancengleichheit im Sinne von Gleichbehandlung gesehen. Allerdings ist es so, dass die Gleichstellungsarbeit an der Hochschule so interpretiert wird, dass es dem Abbau von Benachteiligungen (Diskriminierung), gleiche Teilhabe (Partizipation) und einer von tradierten Rollenmustern freie Lebensgestaltung dient.
Die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten sind es, durch die Organisation von Chancengleichheitsprojekten, wie dem Girls‘ Day, das Interesse der Schülerinnen für die Fächer des MINT-Bereichs zu wecken und Studierende / Studentinnen in diesem Bereich bei der Findung der richtigen Karrierestrategie zu unterstützen. Außerdem organisieren sie Kurse und Weiterbildungen (wie z.B. Karriereplanung, Vernetzungsaufbau, Rhetorik, Präsentationstechniken) für Studentinnen, um diese auf die Arbeitswelt vorzubereiten und sie mit den richtigen Soft-Skills auszustatten.
Auch das Thema der Familiengründung wird hier nicht ausgeblendet: StudentInnen mit Babys werden besonders unterstützt, sodass auch sie eine Chance auf Bildung haben und ihnen die Möglichkeit geboten wird, Beruf mit Familie zu vereinen. Kooperationen mit Kindergärten werden abgeschlossen und die Prüfungskommission wird für eine faire Behandlung während der Schwangerschaft einer Studentin, z. B. sensibilisiert.
Sehr ernst zu nehmen sind auch Themen der sexuellen Diskriminierung und Gewalt (sowohl verbal als auch physisch), bei denen die Gleichstellungsstelle die Brücke zwischen Hochschule und diversen Ansprechpartnern, wie z.B. Polizei oder Rechtsanwälte, bilden kann.
Im Sinne der Forschungsförderung werden Promotionen zu der Thematik „Geschlechterforschung“ an Universitäten und Hochschulen finanziert. Dabei soll interdisziplinär eine „Visibility“ zu der Thematik „Gender“ geschaffen werden.
Wie bereits oben erwähnt, spielen die Gleichstellungsbeauftragten eine bedeutsame Rolle im Rahmen der Hochschul-Governance. Die Gleichstellungsbeauftragten werden in alle Hochschulgremien eingeladen und verfügen über eine Stimme. So wird z. B. die Bewerbung von Frauen bei Berufungsverfahren oder die Verteilung von Geldern in der Hochschul-Haushaltskommission beaufsichtigt. Sogar die Sitzungen des Personalrates finden immer in der Anwesenheit der Gleichstellungstelle statt. Diese Präsenz ermöglicht eine gewisse „Kontrolle“ und stärkt die gewünschte „Visibility“.
Trotz der großen Präsenz und trotz des Einsatzes sehr engagierter Akteurinnen, sowohl in den Fachbereichen als auch in den jeweiligen Ministerien, stellen wir jedoch fest, dass die Studentierende oft nicht wirklich die Bedeutung der Arbeit für die Gleichstellung ernst nehmen. Die damit verbundenen Benachteiligungen stellen sich auch meisten erst mit den ersten Berufserfahrungen ein. Deshalb ist die Arbeit in Richtung der Sensibilisierung, neben der der Förderung, sehr wichtig!
Sarah Piper in Zusammenarbeit mit Muriel Treu.
Muriel Treu ist im 6. Semester Tourismusmanagement; sie hat praktische Erfahrung im Rahmen eines 6-monatigen Prakitkums bei Condor gesammelt; an der Hochschule ist sie seit September 2015 Mitglied des Vorstands im InterForum aktiv (studentische Erasmusinitiative zur Integration der Erasmusstudierenden in Wernigerode).
Geht doch: Der gesetzliche Mutterschutz soll in Zukunft auch für Studentinnen gelten. Der Gesetzentwurf von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) zum verbesserten Mutterschutz wurde dieser Tage vom Bundeskabinett gebilligt. Auf freiwilliger Basis können Studentinnen im Mutterschutz aber an Vorlesungen und Prüfungen teilnehmen. Zunächst einmal ein starkes Signal zur Unterstützung von studierenden Müttern. Ob und wie es aber im Hochschulalltag umgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten.