Touristische Beschilderung auf Autobahnen

Hintergrundinformationen zur touristischen Beschilderung

Auf Grund ihrer mangelnden Ortskenntnis sind viele Touristen bei der An- und Abreise, im Zielgebiet und z.T. auch bei öffentlichen Einrichtungen (z.B. Verkehrsstationen, wie Bahnhöfe und Flughäfen, Freizeiteinrichtungen oder Sportstätten) auf Informationen und Orientierungshilfen angewiesen, auch wenn die mobilen Navigationssysteme in den letzten Jahren in Europa zugenommen haben. Insbesondere für erstmalige Besucher, die bei der Ankunft in einer Zielregion und/oder Gebäude so gut wie keine konkreten Kenntnisse über die örtlichen Gegebenheiten haben, sind Informationen, die die Orientierung und das Auffinden nachgefragter Ziele erleichtern, wichtig.

(Rechtliche) Grundlagen

Wichtige rechtliche Grundlagen für touristische Leitsysteme – oder auch Beschilderung – stellen die Straßenverkehrsordnung (StVO), die „Richtlinien für die wegweisende Beschilderung außerhalb von Autobahnen (RWB)“, die „Richtlinien für die wegweisende Beschilderung auf Autobahnen (RWBA)“ und die „Richtlinien für die touristische Beschilderung (RtB)“ dar. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weitere Regelungen, v.a. für den Fußgänger- und Radverkehr, aber auch für Reiter und Wasserwanderer.

In den RtB werden die Grundlagen für eine einheitliche Beschilderung an Straßen für touristische bedeutsame Ziele und touristische Routen gelegt. Als Ziele dieser Richtlinien gelten, eine konsistente, nachvollziehbare Vorgaben für eine einfache Anwendung und Umsetzung zu schaffen, die Beschilderung unter Berücksichtigung grundlegender verkehrstechnischer Aspekte (z.B. Schriftgröße, Standort) zu vereinheitlichen und zu verbessern sowie insgesamt eine eindeutige und sichere Zielführung zu gewährleisten. Die von den Straßenbaubehörden aufgestellten Schilder sind an alle Verkehrsteilnehmer gerichtet, sprechen jedoch v.a. die Bedürfnisse von motorisierten Verkehrsteilnehmern an. Der touristische Hinweis kann in dreierlei Hinsicht verwendet werden (vgl. FGSV 2008, S. 8ff.):

  • Beschilderung von touristisch bedeutsamen Zielen an Straßen außerhalb von Autobahnen (Zeichen 386.1 „touristischer Hinweis“),
  • Beschilderung von touristischen Routen (Zeichen 386.2),
  • Beschilderung von touristischen Unterrichtstafeln an Autobahnen (Zeichen 386.3 „Touristische Unterrichtungstafel“).
Touristische Unterrrichtungstafel
Foto: Peter Wolff

Mit dem Zeichen 386.3 wird auf touristisch besonders bedeutsame Ziele hingewiesen, die entweder von der Autobahn aus sichtbar sind oder grundsätzlich nicht weiter als 10 km (Luftlinie) von einer Autobahnanschlussstelle entfernt liegen. In Ausnahmefällen darf auf Ziele in einer größeren Entfernung hingewiesen werden („Ziele mit herausragender touristischer Bedeutung“) und in begründeten Ausnahmefällen dürfen auch mehr als zwei Unterrichtungstafeln zwischen zwei Autobahnknotenpunkten aufgestellt werden.

Funktionen der touristischen Unterrichtungstafeln

Mit den touristischen Unterrichtungstafeln werden insbesondere die zwei folgenden Funktionen verbunden:

  • Sie sollen Kenntnisse über Landschaften und Sehenswürdigkeiten vermitteln. Die Unterrichtungstafeln sollen Deutschland und seine Sehenswürdigkeiten den interessierten Auto fahrenden (Touristen) näher bringen. „Im Schnelldurchlauf lernt der Autofahrer die deutsche Heimat kennen.“ (Bade 2004, S. 130)
  • Sie sollen animieren, die durchgehende Straße zu verlassen, die Reise zu unterbrechen. Der Tourismus soll gefördert werden und Nutzer des motorisierten Individualverkehrs (Pkw, Wohnmobil, Motorrad) animieren, um die eine oder andere touristische Attraktion näher kennen zu lernen und Kaufkraft in die jeweiligen Destinationen zu bringen.
Landschafts-Hinweis
Foto: Peter Wolff

Touristische Unterrichtungstafeln im Detail

Die sog. touristischen Unterrichtungstafeln an Autobahnen gibt es in (West-)Deutschland seit 1984 – zuvor wurden sie bereits in Frankreich eingeführt. Als erste Schilder sollen die „Löwensteiner Berge“ an der A81 kurz vor Heilbronn und die „Burg Teck“ bei Stuttgart aufgestellt worden sein (vgl. Kieser 2011, S. 170; Steinecke 2013, S. 96f.; Mikolaschek 1986, S. 137 ).

Typisch für diese Schilder ist, dass die symbolischen Darstellungen von touristischen Attraktionen oder geographischen Einheiten (wie Landschaften oder Städte) durch eine kurze Bezeichnung ergänzt sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Schilder keine Funktion für die Verkehrsführung haben und somit die einzigen zugelassenen Schilder dieser Art sind. Gab es anfangs noch vergleichsweise wenige dieser Schilder auf den deutschen Autobahnen und Bundesstraßen, so haben diese in den letzten Jahren zugenommen – insbesondere nach einer Überarbeitung der rechtlichen Grundlagen im Jahre 2008.

Im Gegensatz zu sonstigen Verwaltungsangelegenheiten der Bundeautobahnen sind die Genehmigung und (kartographische) Erfassung der touristischen Unterrichtungstafeln an Autobahnen Ländersache (zuständige Straßenbaubehörde bzw. Autobahndirektion). Da die Zuständigkeit bei den jeweiligen Bundesländern liegt, gibt es kein zentrales Register aller in Deutschland aufgestellten Schilder. Nach eigenen Recherchen gibt es mehr als 2.200 derartiger Unterrichtungstafeln (Stand Ende 2018).

Tipps für Interessierte

An den touristischen Unterrichtungstafeln interessierte Personen haben die Möglichkeit, sich bspw. über die amtlichen Stellen oder von Privatpersonen erstellte Internetseiten zu informieren. In Baden-Württemberg sind die touristischen Unterrichtungstafeln bspw. Aufgabe der einzelnen Regierungspräsidien. Das Regierungspräsidium Freiburg hat auf seiner Homepage unter dem Titel „Sehenswürdigkeiten entlang unserer Autobahnen in Südbaden“ Informationen zu den einzelnen Points of Interest stehen, auf die mit den touristischen Hinweisschildern auf den jeweiligen Autobahnen hingewiesen wird.

Als Beispiele für private Internetseiten können für die A5 und A8 (mit den Abschnitten innerhalb von Baden-Württemberg) die Website http://www.kulturfahrt-deutschland.de/ oder für eine Übersicht der touristischen Unterrichtungstafeln an Autobahnen rund um Hamburg angeführt werden.

Es gibt inzwischen jedoch auch Tourismus-/Reiseführer, die in handlichem Format Hintergrundinformationen zu den einzelnen Sehenswürdigkeiten liefern. Hier sei bspw. das Buch „Sehenswürdigkeiten entlang der Autobahn: Touristische Hinweisschilder – wofür sich ein Abstecher lohnt“ genannt.

Letztlich sei auf zwei Hochschulprojekte der Hochschule Fulda hingewiesen, bei denen es in den Jahren 2014/15 um Pilotanwendungen für einen spielerischen Zugang zu den Inhalten der touristische Unterrichtungstafeln ging. Um den Fahrer während der Fahrt nicht abzulenken, sollten die Informationen v.a. den Beifahrern während der Fahrt mit Hilfe einer App Hintergrundinformationen zu den einzelnen PoIs geben. Zum anderen sollte ein Spiel/Quiz für das Smartphone Wissen um die Regionen nahe bringen. Für beide Pilotprojekte wurde Bundesautobahn 66 gewählt, die die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden im Westen des Bundeslandes mit Fulda in Osthessen verbindet und in die BAB 7 mündet (Dreieck Fulda) und (damals) zwölf Schilder in jeder Richtung aufwies.

Hinweisschild auf Fulda
Foto: Peter Wolff

Eigenes Forschungsprojekt

Nach ausgiebiger Recherche und Auskunft verschiedener Institutionen (z.B. wurde die für die RtB zuständige Bundesbehörde, die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die Oberen Verkehrsbehörden aller deutscher Bundesländer, die touristischen Marketingorganisationen der Länder und Landestourismusverbänden sowie touristische Fachverbände und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Abteilung Tourismus, angefragt) gibt es für Deutschland bisher keine Studien zur Wahrnehmung, Wirkung und/oder Entscheidungsunterstützung der Reisenden dieser Unterrichtungstafeln.

Dabei wäre dies für die jeweiligen Antragsteller selbst, d.h. private und öffentliche Einrichtungen, wichtig zu wissen, um v.a. das Kosten-Nutzen-Verhältnis besser einschätzen zu können.

Laut Autobahnauskunft Südbayern passieren jährlich bis zu 16,5 Millionen Fahrzeuge die Stelle, an der das Schild „Tölzer Land“ aufgestellt ist. Wenn nur jeder Tausendste das Schild als Anlass nehmen würde, diese Sehenswürdigkeit zu erkunden, wären das 16.500 Besucher mehr, die dort durch einen Kurzurlaub oder Gastronomiebesuche die Wirtschaft beleben würden.

Um dieser Forschungslücke zu entgegen, werden eine qualitative (Vor-) Studie und eine quantitative (Haupt-) Studie durchgeführt. Ziel der im Sommersemester 2019 laufenden Untersuchungen ist es herauszustellen, inwiefern die touristischen Unterrichtungstafeln an Autobahnen zur Steuerung von Besuchern eignen, ob sie wahrgenommen werden und Verhaltensänderungen (z.B. Informationssuche, Entscheidungsverhalten und Verkehrsverhalten) hervorrufen. Im Fokus der Forschung steht die Frage, inwieweit diese touristischen Unterrichtungstafeln in Erinnerung bleiben und ob das Verhalten beeinflusst (kurz- und/oder langfristig) wird:

  • Wie werden die touristischen Hinweisschilder von den Autofahrern und -insassen wahrgenommen?
  • Merkt man sich die Schilder und darauf abgebildete Sehenswürdigkeiten?
  • Wie viele Autofahrer sind bereits mind. einmal von der Autobahn abgefahren, um direkt oder später die abgebildete Sehenswürdigkeit, Stadt usw. zu besuchen?
  • Haben Autofahrer die abgebildeten Sehenswürdigkeiten, Städte usw. schon einmal an Freunde/Bekannte weiterempfohlen bzw. wurden ihnen Empfehlungen ausgesprochen?
  • Welche Wünsche und Ideen haben deutsche Autofahrer zu der „braunen“ Beschilderung?

Antworten zu diesen Fragen können (hoffentlich) Ende des Jahres 2019 gegeben werden. Schauen Sie doch wieder einmal vorbei, wenn in einem weiteren Beitrag die erzielten Ergebnisse vorgestellt werden.

Quellen

Bade, M.: Marketing entlang der Autobahn, in: Heinritz, G./Lentz, S./Tzschaschel, S. (Hg.): Nationalatlas Deutschland – Leben in Deutschland (Band 12), Leipzig 2006, S. 130-131.

Kieser, C.: Wir können auch braune Schilder – Wallfahrtskiche Maria Bickesheim (Lkr. Rastatt), in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Band 40, Nr. 03/2011, S. 170-171

Mikolaschek, P.: Touristische Wegweisung – Ein Großversuch des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs e. V. in Hessen, in: Freizeitpädagogik 8 (1986) 3-4, S. 135-141.

Steinecke, A.: Management und Marketing im Kulturtourismus, Wiesbaden 2013.

Forschungsgesellschaft Straßen- und Verkehrswesen (Hg.): Richtlinien für die touristische Beschilderung (RtB), Köln 2008


Dies ist ein überarbeiteter Auszug vom „Handbuch Tourismus und Verkehr“, 2. Auflage, Konstanz/München 2017.

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2 Kommentare zu „Touristische Beschilderung auf Autobahnen“

  1. Es wäre sehr wünschenswert, wenn die Ergebnisse der Forschungsarbeit in den interessanten Artikel eingearbeitet werden könnten.

    MfG Detlef Rossmann

    P.s.: ein Stichpunkt zu den Kosten dieser Schilder wäre auch sinnvoll, wenn auch wohl nicht Gegenstand der Untersuchung.
    Die gegenwärtig notwendige Erneuerung zweier Schilder an der A3 bei Kirchroth soll laut Autobahn Gesellschaft ca. 80.000€ kosten. Die Errichtung der ursprünglichen Schilder vor 23 Jahren hatte umgerechnet 6.000€ gekostet, d.h. es erfolgte eine Preissteigerung um den Faktor 14!

    1. Hallo Herr Rossmann,
      besten Dank für Ihre lobenden Worte und den Tipp.
      In einem weiteren Beitrag werden ausgewählte Ergebnisse dargestellt – siehe https://wissenschafts-thurm.de/touristische-unterrichtungstafeln-an-autobahnen-in-deutschland/#Anzahl_an_touristischen_Unterrichtungstafeln_in_Deutschland

      Außerdem gibt es ein Buch, Beiträge in Fachzeitschriften und Diskussionsbeiträge, die teilweise kostenfrei zum Download bereit stehen, siehe bspw.:
      – Tourist information boards on motorways – perceptions, memory effects and decision-making support, in: Journal of Qualitative Research in Tourism 1 (1), 28-50, https://doi.org/10.4337/jqrt.2020.01.02
      „Touristic signage on German Autobahns – Perception and reception of touristic roadside signage”, Harz University Publication Series Volume 01/2020, Wernigerode

      Präzise Aussagen zu den Kosten sind schwierig zu treffen, da die Spannbreite relativ groß ist – bei einem Workshop wurde zwischen 20.000 und 90.000 Euro gesprochen.

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