Lerntechniken, Lernstrategien
Ach, wie entspannt ließe es sich doch studieren, wäre da nicht das vermaledeite Lernen. Den Wenigsten fliegt all das, was es zu wissen und zu können gilt, einfach so zu. Also setzt man sich an den heimischen Schreibtisch, in die Bibliothek oder sucht einen anderen inspirierenden Ort auf, immer mit dem guten Vorsatz, sich durch das Studienmaterial hindurchzuarbeiten. Und wie man sich so tagein, tagaus durch den Stoff plagt, ist das Semester, ehe man sich versieht, schon wieder vorbei. Wer weiß, vielleicht lässt sich ja künftig irgendwann einmal der Lernstoff ganz einfach durch einen Chip einpflanzen. Aber das ist Zukunftsmusik. Derzeit kommen die meisten um das Lernen nicht herum.
Viele Studierende sind durchaus fleißig. Erfahrungsgemäß liegt der Fokus aber meist allein darauf, was man lernt, seltener dagegen – wenn überhaupt –, wie man lernt. Dabei ist ja eigentlich die Frage danach „wie“ das Lernen gelingen kann, besonders interessant. Vielleicht gibt es ja Möglichkeiten, die einem das Lernen zwar nicht abnehmen, aber den Studienalltag erleichtern und bestenfalls sogar erfolgreicher machen. Gibt es also so etwas wie Lerntechniken oder Lernstrategien? Wie kann man sinnvollerweise vorgehen? Kann man das Lernen lernen?
Zunächst einmal muss man sich eines klarmachen: Das Studium an einer Hochschule unterscheidet sich deutlich von dem, was Sie vielleicht bisher aus der Schule kennen. An der Hochschule sind Sie selbst viel mehr gefragt (⇨ Selbststudium). Wie bereits erwähnt, sind viele Studierende durchaus engagiert: Da werden regelmäßig Vorlesungen besucht, Skripte durchgearbeitet und Bücher gewälzt. Aber die aufgewendete Zeit einerseits und die erzielten Ergebnisse andererseits stehen nicht unbedingt in einem angemessenen Verhältnis. Dann kommt es womöglich zu Selbstzweifeln oder aber man schiebt den Schwarzen Peter einfach anderen zu, etwa dem Lehrpersonal. Dabei wäre es viel wichtiger und förderlicher, einmal selbstkritisch das eigene Vorgehen zu hinterfragen – und gegebenenfalls anzupassen. Manchmal genügt es ja bereits, an ein paar Stellschrauben zu drehen.
Lernen ist eine sehr individuelle Angelegenheit, für die es kaum Patentrezepte gibt. Wenn Sie sich einmal auf die Suche begeben, werden Sie feststellen: Es gibt eine Vielfalt an Empfehlungen rund um das Lernen. Sehen Sie die Fülle einfach als ein Angebot, aus dem Sie sich bedienen können. Dieser Beitrag kann Ihnen zwar nicht das komplette Angebot präsentieren. Er möchte Ihnen aber einen ersten Einstieg ermöglichen und Sie gleichzeitig dazu ermuntern, sich mit alledem näher zu beschäftigen (falls Sie das noch nicht getan haben) bzw. Ihre bisherigen Strategien einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Worauf kommt es also an? Versuchen wir es mit folgender Ausgangsfrage: Wie haben Sie als Kind Ihre Muttersprache gelernt? Nun, wahrscheinlich haben Sie den ganzen Tag nur Ihren Eltern, Geschwistern, Großeltern und sonstigen Personen zugehört, bis Sie es perfekt konnten, richtig? Okay, das war nicht ernst gemeint. Sie haben wahrscheinlich erst drauflosgebrabbelt und nach und nach alles perfektioniert. Um es auf einen Nenner zu bringen: Sie sind voller Elan aktiv geworden. Das ist ein erster wichtiger Schlüssel. Lernen bedeutet aktiv zu sein und nicht passiv etwas aufzunehmen. Sie werden nicht studiert, Sie studieren! Daraus lässt sich bereits ein erster Tipp ableiten: Lerntechniken sind vor allem dann wirkungsvoll, wenn Sie dabei aktiv werden. Ein Beispiel: Sich einfach in eine Vorlesung hineinzusetzen und still zuzuhören, dann und wann etwas mitzuschreiben, zählt sicher nicht dazu. Eine Vorlesung hingegen aktiv vorzubereiten, sich aktiv in der Vorlesung zu beteiligen oder zumindest Vorlesungsmitschriften so zu gestalten, dass Sie später aktiv damit umgehen können (schauen Sie mal im Internet unter dem Stichwort „Cornell Notes“ nach) und alles aktiv nachzubereiten, hat einen ganz anderen Effekt.
Immer aktiv zu sein bringt aber auch nichts, wenn die ganze Plackerei in einen bloßen Aktionismus ausartet. Hunderte von Karteikarten zu beschriften mag das Gewissen beruhigen, etwas getan zu haben. Aber damit sind die Inhalte ja noch nicht in Ihrem Kopf. Lernen bedeutet auch, den steten Kampf gegen das Vergessen aufzunehmen. Ein zweiter wichtiger Schlüssel zum Erfolg liegt darin, sich das Gelernte nicht nur einmalig zu erarbeiten, ja nicht einmal im Wiederholen. Maßgeblich ist es vielmehr, sich an das Gelernte zu erinnern (und es – wenn möglich – anzuwenden). Zwischen dem Wiederholen und dem Sicherinnern besteht ein kleiner aber feiner Unterschied. Das Gelernte muss ihr „Eigentum“ werden.
Natürlich, zu lernen braucht seine Zeit (wie lange hat es gedauert, bis Sie sprechen konnten?). Sich kurzfristig etwas in den Kopf zu hämmern, mag vorübergehend ein Gefühl gegeben, überhaupt etwas getan zu haben. Wirkungsvoll ist das für die Meisten wiederum nicht. Gut Ding will bekanntlich Weile haben. Richten Sie Ihre Lernstrategien also langfristig aus. Früh zu beginnen schadet dabei gewiss nicht.
Das führt auch gleich zum vierten und dem wohl wichtigsten Punkt überhaupt: Alle Lerntechniken und Lernstrategien verpuffen, wenn sie kein stabiles Fundament haben. Entscheidend ist dafür Ihre Einstellung und Motivation. Wer sich einredet, wie (vermeintlich) schwer doch der zu lernende Stoff ist, wie unfähig die Dozenten sind oder wie unbeherrschbar die Stofffülle scheint, stellt sich selbst schnell ein Bein. Sich selbst immer wieder motivieren zu können und sich auch durch den einen oder anderen Misserfolg nicht aus der Bahn werfen zu lassen, ist Schlüsselkompetenz. Übrigens: Gerade Misserfolge können willkommene Gelegenheiten sein, die bisherigen Vorgehensweisen einmal zu überdenken und neu auszurichten.
Nun liegt es an Ihnen. Sie wissen nicht, wo oder wie Sie starten sollen? Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken. Sondieren Sie doch einmal in einem ersten Schritt, welche Lernstrategien speziell für Ihr Fach empfohlen werden. Hören Sie sich um, tauschen Sie sich mit anderen aus und scheuen Sie sich nicht um Rat zu fragen. Stellen Sie sich so nach und nach Ihren eigenen Werkzeugkasten zusammen. Man darf ruhig experimentieren, um die für sich passenden Lernwege herauszufinden. Wichtig ist nur eines: Anfangen!
Illustration: Ellen Burgdorf auf Basis von bikablo