Suchprozesse von Bewerbern

Ähnlich wie es bei (industriellen) Kaufentscheidungen Prozessmodelle gibt, so kann man analog auch ein Prozess-Modell für den Suchprozess von Bewerbern unterstellen.

Unsuccessful Job Applicant von David Blackwell unter CC BY-ND 2.0

Suchprozesse von Bewerbern

In der personalwirtschaftlichen Literatur wird bisher eher der Prozess des Bewerbungsmanagements und des Recruiting aus der Sicht des Unternehmens dargestellt, d.h. es werden die Prozess-Schritte von der Bedarfsermittlung / Anforderung, der Ausschreibung der Stelle und über die einzelnen Auswahlschritte bis hin zur Einstellung beschrieben (vgl. z.B. Bröckermann 2007, Kap. 2). Für die zielgerichtete Employer Kommunikation ist jedoch viel wichtiger, sich zunächst in die Situation der relevanten Zielgruppen am Arbeitsmarkt hineinzudenken und dann daran ausgerichtet, phasengerechte Aktivitäten zu entwickeln. Ein echtes markt- und kundenorientiertes Verhalten gegenüber potenziellen Bewerbern ist allerdings in vielen HR-Abteilungen noch nicht vorhanden. Die Abbildung 1 zeigt, wie ein solcher Such- und Entscheidungsprozess auf Seiten der Bewerber typischerweise abläuft. Die einzelnen Phasen werden nachfolgend jeweils kurz beschrieben.

Initiierungsphase (IP)

Die Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz erfolgt nicht ständig, sondern nur zu bestimmten Zeitpunkten. So müssen sich junge Menschen gegen Ende einer Schulausbildung in der Regel für einen Ausbildungsbetrieb oder ein Studium entscheiden. Studenten sind während des Studiums vielleicht auf der Suche nach einem Praktikumsplatz und am Ende des Studiums nach einem potenziellen Arbeitgeber. Darüber hinaus gibt es immer wieder Situationen, wo Arbeitnehmern gekündigt wurde oder diese selber gekündigt haben, weil die bisherige Arbeitsstelle nicht hinreichend attraktiv ist oder aus anderen Gründen ein Beschäftigungsverhältnis nicht fortgesetzt wird. Zu nennen sind hier zum Beispiel ein Wohnortwechsel oder die Unzufriedenheit mit dem bisherigen Arbeitgeber. Schließlich sind auch Fälle denkbar, wo attraktive Angebote auf dem Arbeitsmarkt Arbeitnehmer dazu veranlassen, sich neu zu orientieren und alternative Arbeitsplatzangebote in Erwägung zu ziehen. Es gibt also eine Vielzahl von Gründen und Situationen, die den Prozess der Suche nach einer (neuen) Stelle oder einem Ausbildungs-/Praktikumsplatz auslösen. Dabei ist klar, dass nur ein Teil der Arbeitssuchenden in den entsprechenden Statistiken der Bundesagentur für Arbeit auftauchen. Der Bewerbermarkt ist größer.

Orientierungsphase (OP)

In der Orientierungsphase erfolgt in der Regel die Suche nach generellen Informationen über die Branche oder nach interessanten regionalen Arbeitgebern. Dabei geht es aus Sicht der Bewerber auch darum, potenzielle und relevante Branchen bzw. Unternehmen zu identifizieren. Sind die beruflichen Perspektiven in einer Branche nicht oder nur unzureichend bekannt, so werden sich Bewerber für andere Wirtschaftszweige entscheiden. Gleiches gilt für Unternehmen. Ist ein Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt unbekannt, so darf man sich auch nicht wundern, wenn diese Unternehmen erhebliche Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Mitarbeitern oder Auszubildenden haben. Natürlich sind insbesondere solche Unternehmen und Institutionen im Vorteil, wo potenzielle Bewerber die Leistungen und Produkte aus ihrer Lebenserfahrung heraus kennen. Dies betrifft z.B. die Bereiche Handel, Internetunternehmen, Automobilindustrie, usw. Diese Orientierung entfällt bei solchen Personen, die eine Branche bzw. ein Unternehmen schon aus ihrer bisherigen Tätigkeit kennen und sich gezielt auf interne / externe Stellenanzeigen bewerben.

Vertiefte Informationsgewinnung (VI)

Nach dieser ersten Orientierung erfolgt im nächsten Schritt die konkretere Auseinandersetzung mit einem Unternehmen. So gilt es zum Beispiel herauszufinden, in welchen Bereichen eines Unternehmens welche Positionen zu besetzen sind. Dabei suchen Bewerber weitere Informationen über das Unternehmen und die Produkte / Leistungen. Informationen zu den Standorten sind ebenfalls von großer Relevanz. An dieser Stelle sind aussagekräftige Websites der Unternehmen, aber auch andere Informationsmedien (z.B. Informationsbroschüren) von Nutzen.

Bewerbung

Auf der Basis der Informationsgewinnung erfolgt in dieser Phase nun ein aktives Handeln der suchenden Personen. Denkbar ist sowohl die Bewerbung auf eine konkrete öffentlich ausgeschriebene Stelle als auch die sog. Initiativbewerbung. Hierzu erforderlich ist ein gutes Eigenmarketing derjenigen, die eine Stelle suchen. Professionelle Bewerbungsunterlagen erhöhen in diesem Zusammenhang die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Zumindest die größeren Unternehmen setzen verstärkt auf Internettechnologien und damit verbunden auf entsprechende internetbasierte Bewerbungsprozesse. Nicht alle Stellen werden zunächst öffentlich ausgeschrieben. Insofern spielt zunächst auch der sog. interne Arbeitsmarkt eine große Rolle beim Recruiting. Der Vorteil dabei ist, dass die internen Bewerber schon das Unternehmen kennen und umgekehrt der Arbeitgeber die Fähigkeiten eines Kandidaten besser beurteilen kann.

Vorstellung und Abschluss eines Arbeitsvertrages

Falls man als Bewerber bei einem potenziellen Arbeitgeber Interesse geweckt hat, erfolgt in der Regel eine persönliche Einladung und gegenseitigen “Kennenlernen”. Denkbar zur Auswahl von Kandidaten sind neben den Bewerber-Interviews z.B. auch so genannte Assessment-Center. Mit der Veränderung der Marktgewichte hin zu einem Bewerbermarkt sind heute Arbeitnehmer in einer relativ starken Verhandlungsposition und können sehr häufig zwischen verschiedenen Unternehmen oder Angeboten wählen. Insofern spielen die Rahmenbedingungen (Arbeitsort, Gehalt, Urlaub, Dienstwagen, Work-Life-Balance etc.) eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung. Diese und andere Aspekte sind dann Gegenstand der konkreten Verhandlungen bei Abschluss eines Arbeitsvertrages. Das neue Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis wird mit dem Abschluss eines entsprechenden Vertrages bestätigt.

Beschäftigungsphase

Man könnte jetzt der Ansicht sein, dass nun der Prozess beendet ist. Dem ist jedoch nicht so. Zu Beginn einer neuen Tätigkeit erfolgt eine Einarbeitung. Sehr häufig ist zwischen den beiden Parteien auch eine Probezeit vereinbart worden. Um neue Mitarbeiter gut in ein Unternehmen zu integrieren, ist eine entsprechende Willkommenskultur für das Onboarding notwendig. Hier ist es wichtig, dass sich Unternehmen um neue Mitarbeiter entsprechend kümmern, anstatt diese ins kalte Wasser zu werfen. Langfristig muss ein Unternehmen dafür Sorge tragen, dass sich Mitarbeiter im Unternehmen wohl fühlen, die Arbeitsbedingungen gut sind und eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit entsteht (vgl. z.B. Stotz / Wedel-Klein 2013, S. 95). Einem Unternehmen muss klar sein, dass Arbeitnehmer natürlich ständig die eigene Situation im Unternehmen beurteilen und hinterfragen. Gehalt, Arbeitsbelastung, Karrieremöglichkeiten, Übernahme von Verantwortung, ein hohes Maß an Selbständigkeit, flexible Arbeitszeiten, Spaß an der Tätigkeit, nette Kollegen sind nur einige der Aspekte, die dabei eine Rolle spielen. Ein wichtiger Punkt, der häufig vielfach unterschätzt wird, ist die regelmäßige interne Kommunikation. Mitarbeiter wollen über relevante Entwicklungen im Unternehmen informiert werden. Das Gefühl eines sicheren Arbeitsplatzes ist für viele Menschen von großer Bedeutung.

Trennung / Beendigung der Beschäftigung

Für die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses und einen Austritt aus einem Unternehmen kann es mehrere Gründe geben. Ein typischer Grund ist das altersbedingte Ausscheiden, d.h. Arbeitnehmer gehen in den Ruhestand. Auch gesundheitliche Probleme führen nicht selten zu einer Beendigung eines Arbeitsvertrages. Hier können Arbeitgeber zum Beispiel durch Maßnahmen zur Gesundheitsprävention entgegen wirken. Darüber hinaus ist die Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisses in der Praxis ein häufig anzutreffender Fall. Hier kann die Initiative entweder vom Arbeitgeber ausgehen (z.B. betriebsbedingte Kündigung) oder vom Arbeitnehmer. Eine Kündigung durch den Arbeitnehmer kann vielfältige Gründe haben, die in vielen Fällen auch durch das Verhalten des Arbeitgebers beeinflusst worden sind. Als typische Beispiele für einen Wechsel sind zu nennen: Eine bessere Positionen in einem anderen Betrieb, eine interessantere Tätigkeit, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr Gehalt, die Nähe zum Wohnort oder auch einfach nur die Reaktion auf die Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation in dem aktuellen Unternehmen. In Zeiten des Fachkräftemangels sind solche Personalabgänge in vielen Fällen problematisch. Ältere Arbeitnehmer, die das Rentenalter erreicht haben, kann man häufig noch mit Teilzeitverträgen und beratenden Tätigkeiten länger an das Unternehmen binden und so die Zeit nutzen, das vorhandene Wissen an Nachfolger weiter zu geben. Bei Stotz und Wedel-Klein finden sich weitere interessante Hinweise, wie sich ein Unternehmen im Fall eines Austritts eines Mitarbeiters verhalten soll. So ist ein wichtiger Aspekt die Trennungskultur, d.h. die Art und Weise, wie fair sich ein Unternehmen in diesen Fällen gegenüber Mitarbeitern in dieser Situation verhält. Dies hat auch natürlich auch Signalwirkung gegenüber den verbleibenden Mitarbeitern. Darüber hinaus werden Austrittsinterviews angeregt. Schließlich wird auch ein Newsletter mit regelmäßigen Informationen für ehemalige Mitarbeiter empfohlen. Ziel ist es, diese Mitarbeiter gegebenenfalls für das Unternehmen zurück zu gewinnen (vgl. Stotz / Wedel-Klein 2013, S. 95 und S. 97).

Quellen:

Bröckermann, R.: Personalwirtschaft, 4. Aufl., Stuttgart 2007

Stotz, W./ Wedel-Klein, A.: Employer Branding, 2. Aufl., München 2013

FotoUnsuccessful Job Applicant  von David Blackwell unter CC BY-ND 2.0 

Der Beitrag erschien zuerst auf www.wirtschafts-thurm.de

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