In diesem Beitrag geht es um die Frage, was gute Personalführung ausmacht. Welche Rolle spielt dabei die Selbstreflexion von Führungskräften?
Das Rätsel guter Personalführung
Das Thema „gute Führung“ im Sinne guter Personalführung wird derzeit wieder intensiv diskutiert (hierzu stellvertretend das „Forum Gute Führung“; Link: http://www.forum-gute-fuehrung.de/) und steht auf der Agenda vieler Personalabteilungen. Doch ist das nicht überraschend, wenn man bedenkt, wie viele Management-by-Konzepte und Führungsstile bereits beschrieben und untersucht wurden? Müsste es in Unternehmen nicht selbstverständlich geworden sein, dass eine Führungskraft weiß, wie Personalführung „funktioniert“?
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Oder anders gefragt: Woran liegt es, dass das Rätsel guter Personalführung noch immer nicht gelöst ist? Das es immer wieder auftaucht und diskutiert wird? Ist es möglich, dass all die Führungskonzepte und -stile zwar auf hinreichenden Analysen aufbauen, jedoch den wichtigsten Baustein zu wenig berücksichtigen: Den Menschen in seiner Führungsrolle?
Dynamik und Komplexität von Entscheidungssituationen
Die Bandbreite, die eine Führungskraft heutzutage zu berücksichtigen hat, ist erheblich. Sie reicht von technologischen Aspekte über rechtliche Entwicklungen und Markt- und Branchenspezifika bis hin zu verändertem und sich weiter veränderndem Kundenverhalten. Zwei Bedingungen stechen sind hierbei branchenübergreifend heraus: Die Zunahme an komplexen Entscheidungssituationen und die geänderten Mitarbeiteransprüche.
Die Dynamik, in der sich Unternehmen befinden, nimmt stetig zu und damit die Komplexität von Entscheidungssituationen. Dies drückt sich etwa durch die zunehmende Vernetztheit von Aufgabenstellungen und der zunehmenden Unbestimmtheit von Entscheidungssituationen aus. Entsprechend sind Führungskräfte kaum noch in der Lage, eine Situation vollständig erfassen zu können; sie müssen Mehrdeutigkeit, Widersprüche und Unsicherheit von Situationen ertragen.
Gesellschaftlicher Wandel
Ein weiterer wichtiger Faktor, der das Thema Führung beeinflusst, ist der gesellschaftliche Wandel, der sich in letzten Jahrzehnten vollzogen und zu höheren Ansprüchen der Menschen geführt hat. Was ist bei der Motivation von Mitarbeiter*innen zu beachten? Trends wie etwa die Säkularisierung vieler Lebensbereiche, die hohe Bedeutung sozialer Kontakte und Freizeitorientierung, die Ablehnung von Unterordnung und Verpflichtung sowie die Bedeutung des eigenen Lebensgenusses und der eigenen Selbstverwirklichung beeinflussen in hohem Maße die Einstellungen der Arbeitnehmer*innen in ihrem arbeitsrelevanten Kontext: Statt Fleiß und Pflichtgefühl werden Faktoren wie Freizeitorientierung, die Qualität sozialer Kontakte und Möglichkeiten der Selbstverwirklichung immer bedeutsamer. Spaß an der Arbeit, herausfordernde Aufgaben und Möglichkeiten zur Entwicklung der eigenen Potenziale sind Faktoren, die für Mitarbeiter*innen – und gerade für hoch qualifizierte – immer wichtiger werden. Work-Life-Balance als gelungene Verbindung von individueller Karriere und Privatleben ist zu einem wichtigen Thema geworden.
Es ist von außerordentlicher Bedeutung, dass sich jede Führungskraft diese „Grund“-legenden Rahmenbedingungen bewusst macht und sich mit ihnen aktiv beschäftigt: Was bedeuten sie für meinen Verantwortungsbereich? Wie gelingt es mir als Führungskraft, mit diesen Anforderungen kompetent und angemessen umgehen zu können? Damit sind wichtige Fragen gestellt, die die Führungskraft auf sich als Mensch zurückwirft – auf ihre Denk- und Verhaltensmuster und damit im Kern auf ihre innere Haltung. Hier geht es um die Einzigartigkeit jeder einzelnen Führungskraft und ihren Ressourcen als Mensch, um (auch) als Chef*in einen guten Job zu machen.
Selbstreflexion als Schlüsselkompetenz
Wie kann also das Rätsel guter Personalführung gelöst werden? Ganz einfach: Die Führungskraft muss beginnen, über sich zu reflektieren. Sie muss erkennen, dass sie sowohl im Unternehmenskontext als auch im Privatleben bestimmte Rollen einnimmt. Sie hat zu realisieren, dass sie ein Individuum mit ihren eigenen Bedürfnissen, Wünschen, Erwartungen und Ängsten ist und sich im Laufe ihres bisherigen Lebens ihre Sicht auf die Welt und damit ihre Sicht auf die Realität hat. Und dass es jedem Menschen so geht – auch ihren/seinen Kollegen*innen und Mitarbeitern*innen. Dieses Bewusstsein bildet die Grundlage für den Umgang mit der Komplexität und den Ansprüchen der Mitarbeiter*innen, den jede Führungskraft für sich ganz individuell zu erarbeiten hat – gerne auch in Orientierung an Management-by-Konzepten und Führungsstilen und damit an Grundregeln. Doch gilt auch hier, dass die Führungskraft in ihrer Einzigartigkeit aufleben darf und soll.
Die erforderliche Selbstreflexion stellt einen ständigen Prozess der Selbst-Begleitung dar und muss erlernt werden. Ziel ist es, dass die Führungskraft Distanz zu sich und ihren Denk- und Handlungsmustern schafft und ihr eigenes Ego aus einer Beobachterposition heraus betrachtet. Auf diese Weise gelingt es ihr, andere Betrachtungsperspektiven einzunehmen und das eigene Ego zu überprüfen.
Die kontinuierliche Selbstreflexion führt zu einem lebenslangen Lernen in Bezug auf das Sein. Selbstkenntnis und Akzeptanz von Einzigartigkeit (also meiner Einzigartigkeit genauso wie jene der Mitarbeiter*innen) werden zur Voraussetzung erfolgreicher Führung. Aus einem kompetenten Umgang mit sich selbst erwächst die Möglichkeit eines kompetenten Umgangs mit komplexen Entscheidungssituationen und mit den Mitarbeiter*innen.
Der Beitrag erschien zuerst auf www.wirtschafts-thurm.de