Ein unmoralisches Angebot? Aufsichtsratsposten für Klimaaktivistin Luisa Neubauer

Luisa Neubauer, Aktivistin der Klimaschutzbewegung Fridays for Future, hatte am Freitag von Siemens-Chef Joe Kaeser das Angebot für einen Aufsichtsratsposten bekommen. Ein Paukenschlag, der sogleich eine Kontroverse entfachte. Thurm-Autor André Niedostadek ordnet das Thema aus rechtlicher Sicht ein.  

Was ist eigentlich ein Aufsichtsrat?

Ein Aufsichtsrat ist ein Gremium, das man insbesondere bei Kapitalgesellschaften, wie Aktiengesellschaften, findet. Die Aufgaben des Aufsichtsrats sind vor allem im Aktiengesetz geregelt. Die wichtigste dabei: Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung des Vorstands. Der wiederum leitet die Gesellschaft eigenverantwortlich. Er ist also vor allem für das Tagesgeschäft zuständig. Um seine Überwachungsaufgabe erfüllen zu können, hat der Aufsichtsrat eine ganze Reihe an Rechten.

Frau Neubauer bot sich also eine durchaus spannende Tätigkeit. Jedenfalls dann, wenn man Spaß daran hat, mal hinter die Kulissen und einer Unternehmensleitung auf die Finger zu schauen.

Wie ist ein Aufsichtsrat zusammengesetzt und wie wird man überhaupt Aufsichtsratsmitglied?

Größe und Zusammensetzung eines Aufsichtsrats können unterschiedlich sein. Bei kleineren Unternehmen sind es mindestens drei Mitglieder. Größere Unternehmen können auch über 20 Mitglieder haben.

Bei größeren Unternehmen setzt sich der Aufsichtsrat aus zwei Kategorien zusammen:

Zum einen sind es Personen, die die Aktionäre vertreten. Den Aktionären gehört ja die Gesellschaft. Diese Aufsichtsratsmitglieder werden in der Hauptversammlung gewählt. Sie werden aber nicht einseitig bestimmt, wie das Angebot des Siemens-Chefs vielleicht vermuten lassen könnte. Eine solche Hauptversammlung ist so etwas wie die Mitgliederversammlung bei einem Verein.

Zum anderen sind es Personen, die die Beschäftigten vertreten und von denen in den Aufsichtsrat entsandt werden.

Die genaue Anzahl und das Verhältnis der beiden Kategorien zueinander ist gesetzlich festgelegt. Ausschlaggebend ist insbesondere die Anzahl der Beschäftigten.

Manchmal ist zu lesen Joe Kaeser habe Luisa Neubauer einen Aufsichtsratsposten bei Siemens angeboten. Worum ging es genau?

Siemens ist als internationaler Konzern ja riesig. Es gibt schon seit längerer Zeit Bestrebungen, den Konzern umzustrukturieren. Eine Idee dabei: die Energiesparte in ein selbstständiges Tochterunternehmen auszulagern. Das soll Siemens Energy sein. In diesem Unternehmen werden dann bisherige Aktivitäten des Konzerns gebündelt. Und auf dieses Tochterunternehmen Siemens Energy bezog sich das Angebot.

Im Frühjahr 2020 soll das neue Unternehmen offiziell an den Start gehen. Für den Herbst ist dann auch der Börsengang angedacht.

Ein Kritikpunkt an dem Vorschlag lautete, Luisa Neubauer verfüge gar nicht über die nötige Qualifikation für den Job. Welche Anforderungen müssen Aufsichtsratsmitglieder erfüllen?

Da gibt es durchaus ein paar Anforderung. Beispielsweise kann nicht Aufsichtsrat werden, wer schon Vorstandsmitglied ist. Das liegt angesichts des Interessenkonflikts ja auch auf der Hand.

Sonstige Anforderungen sind in einem weiteren Regelwerk festgehalten, dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK). In dem Kodex geht es um so etwas wie gute Unternehmensführung.

Der Kodex enthält auch etwas zu den Kompetenzen. Seine Mitglieder sollen insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen. Da muss man immer im Einzelfall hinschauen. Aber auch das Wort „insgesamt“ ist hier wichtig. Es geht darum, verschiedene Kompetenzen zu bündeln. Das soll eine ordnungsgemäße Überwachung sicherstellen.

Solche Kompetenzen können natürlich je nach Branche ganz unterschiedlich sein: Leute mit juristischem und wirtschaftlichem Know-how sind hier gefragt. Ebenso Experten mit einem bestimmten Branchenwissen. Bei einem Energieunternehmen sind sicher auch Kenntnisse und Erfahrungen rund um den Klimaschutz nicht unwichtig.

Insgesamt lässt sich übrigens beobachten, dass eine Aufsichtsratstätigkeit in den letzten Jahren zunehmend professioneller geworden ist. Das ist kein Hobby. Auch finanziell kann das durchaus lukrativ sein. Wer sich dafür interessiert, kann eigens Fortbildungen absolvieren, um sich das nötige Wissen anzueignen.

Ein fundiertes Know-how ist auch wichtig, denn gegebenenfalls können Mitglieder des Aufsichtsrats haftbar gemacht werden, wenn sie ihre Überwachungspflicht verletzen.

Verschiedentlich wird vermutet, der Vorschlag des Siemens-Chefs sei nur ein Schachzug, um hier eine Kritikerin einzufangen. Wie ist das rechtlich zu bewerten?

Die Welt der Wirtschaft ist faszinierend und sicher auch von so manchem Schachzug geprägt. Welches Motiv konkret hinter dem Angebot steckt, lässt sich schwer beurteilen.

Rechtlich ist es so: Mitglieder, die für die Anteilseigner im Aufsichtsrat sind, können und sollen zum Teil auch unabhängig sein. So steht es wieder im Corporate Governance Kodex. Aber wann ist ein Aufsichtsratsmitglied unabhängig? Die Antwort: Es muss unabhängig von der Gesellschaft und deren Vorstand und unabhängig von einem kontrollierenden Aktionär sein. Hier darf es also keine Verquickungen geben.

Frau Neubauer hätte sich zwar eine Unabhängigkeit durchaus bewahren können, wäre dem Unternehmen auf der anderen Seite aber gleichwohl zur Loyalität verpflichtet gewesen.  

Einen solchen Spagat als Aktivistin hinzubekommen, kann kaum gelingen. Genau das war es wohl, warum sie das Angebot letztlich nicht wahrgenommen hat. In diese Richtung deuten zumindest Zitate in der Tagespresse, wie etwa der Süddeutschen Zeitung:

Mit dem Posten wäre ich den Interessen des Unternehmens verpflichtet und könnte Siemens dann nicht mehr unabhängig kommentieren. Das ist nicht mit meiner Rolle als Klimaaktivistin zu vereinbaren.

Süddeutsche Zeitung vom 12. Januar 2020

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