Braucht es eine Social-Media-Strategie? Natürlich!

„Social Media ist […] eine strategische Herausforderung, weil es die gesamte Organisation betrifft“, erklärte einst Thorsten Hennig-Thurau in der Studie zu den zehn Thesen zu Social Media (Roland Berger Strategy Consultants 2014). Aber muss man heutzutage die Notwendigkeit eines strategischen Ansatzes für Social Media noch betonen? Leider ja.

The State-Of-Social-Report und andere verblüffende Zahlen

Social Media Strategie
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Mit Bezug auf den Altimeter Social Business Report von 2013 nannten die Verfasser eine Zahl von lediglich 17 Prozent der Unternehmen, die im Social Media-Bereich wirklich strategisch agierten. Etwas besser klang da schon die Einschätzung von Claudia Hilker im Jahre 2012, wonach – positiv ausgedrückt – immerhin die Hälfte der Unternehmen einem strategischen Ansatz folgten. Seitdem sind ein paar Jahre ins Land gegangen. Aber liegen diese Zahlen heute wirklich höher? Bedenkt man, dass sich der Report auf die USA bezog und wir in Deutschland bei diesen Themen immer ein paar Jahre hinterherhinken, scheint nach wie vor Handlungsbedarf zu bestehen. Und leider ist dem so: Laut Deutschem Institut für Marketing gilt für Deutschland aktuell: weniger als 30 Prozent der Unternehmen besitzen eine ausgearbeitete Social-Media-Marketing-Strategie (vgl. Ortgies 2018). Die Erfahrungen des Autors aus dem Beratungsalltag zeigen zudem, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen noch im reinen Trial-And-Error-Verfahren unterwegs sind.

Aber in den USA ist man doch sicherlich weiter, richtig? Nicht wirklich. Im letztjährigen „The State-Of-Social-Report“ von Buffer berichtete man von einem 50-prozentigen Anteil der Unternehmen, die zumindest keine dokumentierte Strategie aufweisen können (vgl. Read 2018, S. 9). Jetzt liegt der neueste Report von Buffer vor. Und was stellen wir fest: es gibt keinerlei Veränderung (siehe Abb. 1).


Abb. 1: Anteil an Unternehmen mit dokumentierter Social-Media-Strategie gemäß dem State- of-Social-Report von Buffer (vgl. Buffer, 2019)

Agilität bedeutet nicht, nicht zu planen

Auch wenn es viele nicht hören mögen und lieber gleich loslegen würden: Um Social-Media sachgerecht umzusetzen braucht es ein professionelles, soll heißen: systematisches und strategischen Vorgehen. Die Zahlen oben belegen aber etwas Anderes. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass wir in Zeiten agiler Methoden denken, strategische Planung sei von gestern. Aber Achtung: Agil zu agieren heißt nicht, nicht zu planen. Vielmehr: bei agilen Methoden wie Scrum wird sogar weit mehr geplant, nur in kleineren Schritten. Vor dem Hintergrund der enormen Bedeutung und vor allem der weiter zunehmenden Dynamik von Social Media, heißt es mit kühlen Kopf aber mit Herz zu agieren. Und das erreicht man am besten mit einer dokumentierten Social-Media-Strategie.

Der Social-Media-Zyklus als praxis-erprobter Ansatz



Betrachtet man die Tweets, die sich tagtäglich explizit mit der Thematik Social-Media-Marketing beschäftigen, so fallen einem immer wieder Nachrichten auf, die „X Schritte zur richtigen Social-Media-Marketing-Strategie“ oder „Social-Media-Strategie erstellen“ oder „So entwickelst Du eine sinnvolle Social-Media-Strategie“ betitelt sind. Hierbei handelt es sich meist um kurze Praxisleitfäden, denen allen etwas Sinnvolles innewohnt. Auf wissenschaftlicher Basis monieren Felix et al. (2017, S. 118) das Fehlen eines solchen übergreifenden Ansatzes. Dennoch gibt es auch umfassendere Ansätze, die zumindest im deutschsprachigen Raum sehr oft zitiert werden: die Modelle von Li und Bernoff (POST-Methode, 2009), Reto Stubers ZEMM-MIT (2012) und die 10 Schritte nach Claudia Hilker (2012). Alle wurden vom Verfasser im Praxistest eingesetzt. Alle Ansätze haben ihre Vor- aber auch ihre Nachteile. Insofern hat der Autor auf Basis der verschiedenen Ansätze einen eigenen strategischen Social-Media-Ansatz entworfen: der Social-Media-Zyklus. Er greift die verschiedenen Modelle auf, kombiniert diese miteinander und optimierte sie auf diese Weise. Dabei bezog der Autor auch eigene Erfahrungen aus der beruflichen Praxis und der Lehrtätigkeit ein.

Der Social-Media-Zyklus umfasst zehn Schritte und basiert stark auf dem Modell von Hilker. Der erste und der letzte Schritt, „Zuhören“ sowie „Kontrollieren und analysieren“ sind übergreifende, kontinuierlich durchzuführende Aktivitäten. Daneben wurde eine Einteilung in vier tendenziell eher strategisch und vier in der Tendenz eher operativ gelagerte Schritte vorgenommen. Die Nummerierung der einzelnen Schritte impliziert eine logische Abfolge, ist aber ebenfalls als iterativer Prozess mit der Möglichkeit für Rückkoppelungen konzipiert. Aus diesem Grunde sind die vier jeweiligen strategischen und operativen Hauptaktivitäten im Zyklus als Bausteine eines Kreises mit Pfeilen angeordnet. Dass die eher strategischen und die eher operativen Bestandteile einander bedingen, zeigen die beiden Pfeile in der Mitte zwischen den Kreisen (siehe Abb. 2).


Abb. 2: Der Social-Media-Zyklus (vgl. Decker 2019, S. 84)

Um einen ersten Eindruck über die einzelnen Schritte zu bekommen, erfolgt an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung. Eine ausführliche inhaltliche Auseinandersetzung zu jedem einzelnen Schritt bietet das Fach- und Lehrbuch „Der Social-Media-Zyklus“ (https://www.springer.com/de/book/9783658228729). Über die Website https://socialmedia-zyklus.de lassen sich weitere Informationen abrufen.

1. Zuhören:

Social Media beginnt mit Zuhören – mit dem aktiven Monitoring des eigenen Unternehmens, der Marken und der Wettbewerber (in Anlehnung an Hilker 2012). Dabei ist Zuhören unbedingt eine kontinuierliche Aufgabe, die es laufend parallel zu den anderen Aktivitäten durchzuführen gilt: „Monitoring ist für jedes Stadium Ihrer Social-Media-Strategie unerlässlich – ganz egal, ob Sie sich bisher noch gar nicht im Web engagierten, ob Sie vielleicht schon twittern oder bereits auf vielen Kanälen etabliert sind“ (Weinberg und Pahrmann 2012, S. 48).

2. Definieren:

Mit dem zweiten Schritt erfolgt – wie bei vielen der vorgestellten Ansätze – eine Festlegung der zu erreichenden Ziele sowie der damit verbundenen Zielgruppen.

3. Selektieren:

Aufbauend auf der Zielsetzung und der Auswahl der Zielgruppen erfolgt die Selektion der Social-Media-Kanäle. Dass dieser Schritt in den allermeisten Fällen nach der Zielformulierung erfolgen sollte, erschließt sich aus den Besonderheiten bezüglich der Demographie und der Interessen der Nutzer der jeweiligen Plattformen.

4. Organisieren:

Weit früher als in den oben betrachteten Ansätzen (wenn dort überhaupt berücksichtigt), behandelt dieses Modell Fragen der organisationalen Verankerung und der Verantwortlichkeiten in puncto Social Media. Dieser Schritt stellt einen strategischen Aspekt dar. Die Festlegung der Ziele und die Selektion der Social-Media-Kanäle kann nach Erfahrung des Autors in der Unternehmenspraxis nicht unabhängig von vorhandenen Ressourcen erfolgen. Weiß man beispielsweise, dass wenig Budget und / oder Human-Ressourcen im Unternehmen vorhanden sind, ergibt es wenig Sinn, eine Vielzahl von Kanälen zu bespielen. Insofern hat dieser Aspekt einen Einfluss auf die Zieldefinition und die Auswahl der Zielgruppen. Gerade in diesem Aspekt kommt sehr deutlich die Notwendigkeit der Rückkopplungen im Rahmen der Entwicklung der Social-Media-Strategie zum Ausdruck.

5. Zusammenführen:

Dieser Schritt, den in dieser Form eigentlich nur Hilker und ansatzweise Li und Bernoff gehen, bringt die eigentliche Strategie zum Ausdruck. Sie basiert auf dem Zusammenspiel der einzelnen zuvor bestimmten Komponenten (Ziele, Zielgruppe, damit verbundene Kanalauswahl, Organisation und Verantwortlichkeiten). Das in diesem Schritt ebenfalls zu entwerfende Social-Media-Governance-Modell verbindet die strategischen Aspekten mit den eher operativen Schritten des Zyklus.

6. Regeln:

Die Ausführungen u. a. bei Felix et al. (2017) verdeutlichten, dass Social Media Regeln braucht. Dies können interne Social-Media-Guidelines ebenso wie die an Nutzer gerichtete Netiquette sein. Der Schritt „regeln“ muss zudem die Vielzahl von Gesetzen sowie die Nutzungsbedingungen der Plattformen berücksichtigen. Aus diesem Grunde vereinigt dieser Schritt, den es in der Form bei keinem den vorher betrachteten Ansätze gab, all diese Aspekte.

7. Planen und umsetzen:

Ein Teil der Aktivitäten, die Stuber (2012) unter „managen“ aufführte, sind in diesem Schritt zu finden. In Bezug auf Hilker (2012) beziehen sich die Aktivitäten v. a. auf das Agenda-Setting, den Maßnahmen-Mix sowie den Präsenzaufbau. Hier geht es um den Auf- und den Ausbau der einzelnen Präsenzen, die Content-Sichtung und -Auswahl sowie die Aufstellung eines konkreten Redaktionsplans auf Basis der in der Strategie formulierten Zielsetzungen. In diesem Zusammenhang sollten zudem Überlegungen hinsichtlich des sinnvollen Einsatzes von Tools zur Automatisierung angestellt werden.

8. Moderieren:

Die Interaktion mit den Nutzern ist ein wesentlicher Mechanismus der sozialen Medien. Dieser wichtige Aspekt des Interagierens und der Vernetzung erhält daher im Rahmen des Social-Media-Zyklus einen eigenen Schritt. Konkret kommt hier die gesamte Palette der Aufgaben eines Social-Media-Managers zum Tragen, die eben nicht nur in der Reaktion auf Posts der Nutzer liegen.

9. Deeskalieren:

Im Unterschied zu Hilker (2012) umfasst dieser Schritt im Rahmen des Social-Media-Zyklus ausschließlich die notwendigen Aktivitäten, um mit aufkommender Kritik im Netz bestmöglich umzugehen. Es muss eine vorrangige Aufgabe sein, anbahnende Krisen frühzeitig durch geschicktes Management zu verhindern – eben zu „deeskalieren“. Wenn eine Prävention nicht gelingt, beinhaltet dieser Schritt auch Maßnahmen, die es im Falle einer Krise zu ergreifen gilt.

10. Kontrollieren und analysieren:

Der „letzte“ Schritt im Zyklus, der ebenso wie Schritt eins kontinuierlich zu vollziehen ist, beschäftigt sich mit der Überprüfung der Erreichung der zuvor gesetzten Ziele. Dementsprechend sind geeignete Kennzahlen auszuwählen, zu monitoren und zu analysieren. Die Ergebnisse einer solchen Social-Media-Erfolgskontrolle bilden die Basis für die fortlaufende Überprüfung und Optimierung der Aktivitäten in allen Schritten des Zyklus.

Der Social-Media-Zyklus ist sowohl für proaktives als auch für reaktives Marketing anwendbar, denn es müssen nicht ständig alle Schritte durchlaufen werden. Wie dem auch sei: ob voll umfassend oder zumindest partiell: die Social-Media-Aktivitäten eines jeden Unternehmens sollten auf einer soliden Strategie basieren. Der Social-Media-Zyklus bietet hierfür die Grundlage.

Wenn Sie mehr dazu wissen wollen, kontaktieren Sie mich einfach über
info@socialmediazyklus.de
alexander.decker@thi.de

Literatur:

Buffer (2019) The State of Social 2018 Report: How marketers across the globe think about social media, what’s working, how the industry is changing, and more.
https://buffer.com/state-of-social-2019

Decker A (2019) Der Social-Media-Zyklus. Springer Gabler, Wiesbaden.

Felix R, Rauschnabel PA, Hinsch C (2017) Elements of strategic social media marketing: A holistic framework. Journal of Business Research. 1:118-126.
DOI: https://doi.org/10.1016/j.jbusres.2016.05.001.

Hilker C (2012) Erfolgreiche Social-Media-Strategien für die Zukunft: Mehr Profit durch Facebook, Twitter, Xing und Co. Linde Verlag, Wien.

Li C, Bernoff J (2009) Facebook, YouTube, Xing & Co: Gewinnen mit Social Technologies. Hanser, München.

Ortgies M (2018) Anleitung zum Geld verbrennen: Social Media für B2B?
https://t3n.de/news/anleitung-geld-verbrennen-social-1077467/. Zugegriffen: 23.01.2019.

Read A (2018) The State of Social 2018 Report: Your Guide to Latest Social Media Marketing Research.
https://blog.bufferapp.com/state-of-social-2018. Zugegriffen: 23.01.2019.

Roland Berger Strategy Consultants (2014) Socialize your business. Ten things executives should know about digitalization and social media.

Stuber R (2012) Erfolgreiches Social Media Marketing mit Facebook, Twitter, Google+, XING, LinkedIn, YouTube. Data Becker, Düsseldorf.

Weinberg T, Pahrmann C (2012) Social Media Marketing. O’Reilly Verlag, Köln.

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