Basics der Internationalisierung von digitalen Dienst- und Beratungsleistungen im Mittelstand

Die unternehmerische Internationalisierung ist längst nicht mehr nur ein Thema für große Industrieunternehmen. Globalisierung und Digitalisierung ermöglichen es auch mittelständischen Dienstleistern ihren Wirkungskreis über nationale Grenzen hinaus zu erweitern. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die wesentlichen Grundlagen zur Internationalisierung von digitalen Dienstleistungen im Mittelstand.

Nachholbedarf im Bereich der Dienstleistungs-Internationalisierung im Mittelstand

Deutschland ist eine Exportnation. Kaum ein anderes Land exportiert mehr Kapital, Waren und Dienstleistungen. Zudem ist Deutschland eine Dienstleistungsnation. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) besteht zu fast 70% aus Dienstleistungen. Dennoch besteht zwischen diesen beiden tragenden Säulen der Wirtschaft keine Korrelation. Im Gegenteil: Der oft beschriebene Exportüberschuss deutscher Unternehmen ist auf Warenhandel begründet, während weniger als 20% des deutschen Exports auf Dienstleistungen beruht. Vielmehr ergibt die Außenhandelsbilanz aus Dienstleistungssicht sogar ein Defizit – es werden mehr Dienstleistungen importiert als exportiert.[1]

Bisher wurde die Unternehmensinternationalisierung meist aus der Perspektive von Industrieunternehmen bzw. Sachleistungsherstellern betrachtet. Gerade im Bereich der digitalen Dienstleistungen besteht hierbei Nachholbedarf. Zwar wächst der E-Commerce Umsatz in Europa jährlich im zweistelligen Bereich, trotzdem ist ein Großteil der Unternehmen nicht optimal auf Onlinehandel eingestellt. Daraus ergibt sich ein hoher Bedarf für länderübergreifende Beratung und Implementierung von Digitallösungen, welcher ein gewaltiges Wachstumspotential für den deutschen Dienstleistungssektor bietet.

Deutschland belegt im Digital-Ranking der EU nur den 12. Platz (Grafik: Europäische Kommission)

Die Internationalisierungsentscheidung

Die Internationalisierungsentscheidung eröffnet Mittelständlern neue Chancen und Möglichkeiten, birgt aber auch wesentliche Risiken. Es muss der Organisation immer bewusst sein, dass die Internationalisierung ein hohes Maß an finanziellem, personellem und auch strategischem Einsatz fordert, um sich in einem neuen Wettbewerbsumfeld durchsetzen zu können. Daher ist es unabdingbar, die unternehmensspezifischen Stärken und Schwächen mit den spezifischen Rahmenbedingungen der Zielmärkte abzugleichen und eine spezielle Internationalisierungsstrategie zu erarbeiten.

Erfolgsfaktoren der Internationalisierung von digitalen Dienstleistungen

Zur Bestimmung der Erfolgsfaktoren der Internationalisierung von Dienstleistungen haben sich in den letzten Jahren insbesondere drei Ansätze mit herausragender Bedeutung hervorgehoben.

Aus Perspektive des Market-based View hängt der Internationalisierungserfolg vor allem von strategischen Entscheidungen und den Faktoren der unternehmensexternen Umwelt ab.[2] Der Ressource-based View hingegen fokussiert sich auf die internen Unternehmensressourcen.[3] Das Relationsship Management beschreibt schließlich die Quelle des Erfolgs in der Qualität der Beziehung zwischen Anbieter und Kunde.[4]

Diese Ansätze sollten nicht einseitig oder als allgemeinverbindlich betrachtet werden. Um die Internationalisierung wirklich erfolgreich zu gestalten müssen sie synthetisiert werden und gemeinsam in die Erfolgsstrategie einfließen. Basierend auf diesen Ansätzen können die Erfolgsfaktoren der Internationalisierung in unternehmensexterne und-interne Faktoren gegliedert werden.

Unternehmensexterne Determinanten des Internationalisierungserfolgs

Die unternehmensexternen Erfolgsfaktoren der Internationalisierung bestimmen sich vordergründig durch die Marktattraktivität und die Branchenstruktur des Ziellandes. Die Markt- und Standortwahl hat langfristige Auswirkungen und bedarf hoher Investitionen, welche nicht leicht revidierbar sind. Hierfür haben sich diverse Frameworks und Modelle entwickelt um die Erfolgsfaktoren auf makroökonomischer Ebene zu bestimmen. Eines der bekanntesten Frameworks ist das PEST-Analyse-Framework. PEST ist hierbei das Akronym für Political, Economic, Social und Technological Factors. [5]

Die politischen und rechtlichen Faktoren umfassen das politische System, seine Stabilität sowie die Sicherheit und Verlässlichkeit des Rechtssystems eines Landes. Die finanziellen und rechtlichen Anreizsysteme der Zielländer beeinflussen die wirtschaftlichen Risiken massiv. Weiter muss im Bereich der Digitalisierung auf spezifische Regelungen hinsichtlich der elektronischen Leistungserstellung geachtet werden. Für digitale Dienstleistungen ist hierbei insbesondere auch der Schutz persönlicher Daten und des geistigen Eigentums wesentlich.

Die ökonomischen Erfolgsfaktoren eines Landes bestimmen sich durch Marktvolumen bzw. Marktgröße, Bevölkerung, Wirtschaftsleistung und -wachstum. Weiterhin bezieht sich diese Kategorie auch auf das Inflationsniveau, Wechselkursschwankungen, Pro-Kopf Einkommen, Infrastruktur und Wettbewerbsfähigkeit. Für den deutschen Mittelständler ist zudem die ökonomische Leistungsfähigkeit und Kaufkraft ein wesentlicher Faktor um kostendeckend agieren zu können.[6]

Soziokulturelle Aspekte umfassen einen breiten Rahmen von Entwicklungsstand, Verbrauchergewohnheiten und ethnische Besonderheiten (religiös, kulturell, sozial) bis hin zu Werten wie bspw. der Einstellung zur Arbeit und zum Kapital. Daraus abgeleitet ergeben sich Konsumverhalten, Mediennutzung oder Arbeitsklima. Bei der Dienstleistungserstellung kommen kulturellen Aspekten eine herausragende Bedeutung zu.[7] Da die digitale Dienstleistung einen dauerhaften und engen Kontakt zwischen Kunden und Anbietern fordert, ist ein Abgleich der Kulturmerkmale essentiell

Unter technologischen und geografischen Faktoren zählen technologischer Stand und Leistungsfähigkeit sowie topografische und infrastrukturelle Faktoren. Für die digitale Dienstleistung ist hierbei die technische und telekommunikative Infrastruktur ein essentielles Ausschlusskriterium. Des Weiteren sollten Förderung und Schutz von Forschung und Ausbildung sowie die Innovations- und Adaptionsrate des Marktes bewertet werden. Es muss eine gewisse technologische Reife des Marktes vorhanden sein um digitale Dienstleistungen anbieten zu können. Umgekehrt bedeutet dies, dass sich zentrale Herausforderungen daraus ergeben können, dass Märkte technologisch fortgeschrittener agieren als deutsche Unternehmen.[8][9]

Die Grundeinstellung zu Digitalisierungsthemen ist ein sensibles Thema welches genauer Recherche erfordert (Bild: Pexels auf pixabay.com.com)

Unternehmensinterne Determinanten des Internationalisierungserfolgs

Bei der internen Betrachtung von Unternehmen begründen sich strategische Vorteile vor allem auf deren Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen. Grundsätzlich liegt hierbei dann ein nachhaltiger Vorteil vor, wenn diese wertvoll, selten und nicht substituierbar oder imitierbar sind. Verglichen zur abstrakten Umweltebene können und müssen die internen Erfolgsfaktoren operationalisiert und aktiv beeinflusst werden.

Ob das Internationalisierungsvorhaben erfolgreich ist bestimmt sich aus der Anpassungsfähigkeit der Dienstleistung und des Unternehmens. Dabei fallen insbesondere das hohe Integrationserfordernis und der relativ geringe Grad an Materialität ins Gewicht.

Hier ist auch der Standardisierungsgrad ein wesentlicher Aspekt strategischer Überlegungen. Dabei können die strategische Ausrichtung, die Anpassung der Leistungserstellung sowie Kompetenzen und Leistungsbereitschaft von Personal und Management als wesentliche Erfolgsfaktoren für die Internationalisierung identifiziert werden. [10]

Um auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden im Zielmarkt adäquat eingehen zu können, ist zunächst eine auf fundierte Marktforschung basierende Strategieauswahl inklusive einer zielgerichteten Anpassung der Leistungserstellung sowie des Marketing-Mix erforderlich. Durch den direkten Anbieter-Kunden-Kontakt ist eine Anpassung des Leistungserstellungsprozesses an die speziellen Bedürfnisse der jeweiligen Kundengruppen die entscheidende Quelle für den Erfolg. Dies umfasst insbesondere eine zielgerichtete Kommunikationspolitik zwischen Anbieter und Nachfrager, um aufgrund kultureller und räumlicher Distanz entstehenden Unsicherheiten entgegenzutreten.[11]

Speziell bei kundenspezifischen Projekten ist neben den grundsätzlichen Kenntnissen der gesetzlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen ein ausgeprägtes Wissen über ortsübliches kulturelles und geschäftliches Verhalten notwendig. Das besondere Koordinationserfordernis machen dabei Kooperationen bzw. Integrationen als Markteintrittsform fast unumgänglich.

Es sind also neben der Ausgestaltung der Strategie und der Anpassung der Leistung insbesondere die spezifischen personenbezogenen Charakteristika und Fähigkeiten des Unternehmens, die den Internationalisierungserfolg bestimmen. Dies betrifft sowohl das Unternehmensmanagement als auch die Mitarbeiter. Dabei sind entsprechende Qualifikationen, internationale Erfahrungen sowie kulturelle Sensibilität von immenser Bedeutung. Auf der einen Seite muss das Management und auch das Kundenkontaktpersonal hinsichtlich kultureller Expertise, sprachlicher Kenntnisse und landesüblichen Gepflogenheit qualifiziert sein. Auf der anderen Seite ist auch das Führen, Leiten und Motivieren aller Stakeholder der Internationalisierung von großer Bedeutung, um diesen Transformationsprozess zu meistern.

Die Anforderungserfordernisse für den Internationalisierungserfolg im IT-Mittelstand liegen größtenteils im rechtlichen und kulturellen Bereich und weniger in den Anforderungen an die Leistung selbst.[12]

Enge Kundenbeziehungen sind maßgeblich für den Internatiolisierungserfolg (Bild: Rawpixel, Pixabay.com)

Fazit

Es stellt sich heraus, dass die Internationalisierung durchaus ein gewinnbringendes, potentialbehaftetes Instrument zum Unternehmenswachstum sein kann. Sie bietet gut ausgebildeten Dienstleistern die Möglichkeit ihre Kompetenzen in Auslandsmärkten einzusetzen und somit ihren Wirkungskreis zu erweitern. Dabei muss sich die Unternehmung aber immer auch der Risiken und Herausforderungen bewusst sein. Als Antwort darauf muss die Unternehmensstrategie daher entsprechend auf das Internationalisierungsziel angepasst werden. Dies gilt sowohl für externe Gegebenheiten als auch für interne Fähigkeiten, Ressourcen und Prozesse.

Service-Hinweis

Der vorliegende Beitrag basiert auf einer Bachelorarbeit von Tobias Köcher, die in Kooperation zwischen der dotSource und der Hochschule Harz entstand und die Besonderheiten der Internationalisierung von E-Commerce-Dienstleistungen in den Nordics zum Thema hat. Die gesamte Arbeit stellt dotSource Labs zum Download bereit.

Quellen


[1] Vgl. Statistisches Bundesamt, „Deutscher Aussenhandel.“ (Statistisches Bundesamt, 2018); Ausgabe 2018 (letzter Zugriff: 07. Juli 2019).

[2] Vgl. S. Tamer Cavusgil und Shaoming Zou, „Marketing Strategy-Performance Relationship: An Investigation of the Empirical Link in Export Market Ventures.“ Journal of Marketing 58, Nr. 1 (1994): 1, 3 f.

[3] Vgl. Jay Barney, „Firm Resources and Sustained Competitive Advantage.“ Journal of Management 17, Nr. 1 (1991): 99–120, 105 f.

[4] Vgl. Jeffrey H. Dyer und Harbir Singh, „The Relational View: Cooperative Strategy and Sources of Interorganizational Competitive Advantage.“ in Academy of Management Review, hrsg. von Academy of Management 23. (New York, NY: Academy of Management, 1998), 662 ff.

[5] Vgl. Peter F.-J. Niermann und Andre M. Schmutte, Hrsg., Exzellente Managemententscheidungen: Methoden, Handlungsempfehlungen, Best Practices. SpringerLink (Wiesbaden: Springer Gabler, 2014), 117 ff; Sure, Internationales Management, 87 ff.

[6] Vgl. Erhard Juritsch, Internationalisierungsentscheidungen von kleinen und mittleren Unternehmen (Wien: Springer, 2010), 336 ff.

[7] Vgl. Martin Benkenstein, Hrsg., Neue Herausforderungen an das Dienstleistungsmarketing (Wiesbaden: Springer Gabler, 2008), 271 f.

[8] Vgl. Andreas Boes et al., Hrsg., Qualifizieren für eine global vernetzte Ökonomie: Vorreiter IT- Branche: Analysen, Erfolgsfaktoren, Best Practices (Wiesbaden: Gabler Verlag, 2012), 125 f.

[9] Vgl. Michael Kutschker und Stefan Schmid, Internationales Management, 6. Aufl. (München: Oldenbourg, 2008), S. 718.

[10] Vgl. Dirk Holtbrügge, Hartmut H. Holzmüller und Florian Wangenheim, Management internationaler Dienstleistungen mit 3K: Konfiguration – Koordination – Kundenintegration (Wiesbaden: Springer, 2009), 9.

[11] Vgl. Christina Sichtmann, Ilka Griese und Maren Klein, „Internationalisierung von Dienstleistungen.“ in Neue Herausforderungen an das Dienstleistungsmarketing, hrsg. von Martin Benkenstein, 267–286 (Wiesbaden: Springer Gabler, 2008), 268.

[12] Vgl. Andrea Baukrowitz und Rolf Chung, „Globalisierung als Herausforderung für den IT-Mittelstand: Eine Online-Studie.“ in Qualifizieren für eine global vernetzte Ökonomie: Vorreiter IT-Branche: Analysen, Erfolgsfaktoren, Best Practices, hrsg. von Andreas Boes et al. (Wiesbaden: Gabler Verlag, 2012), 117 ff.

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