Lernen mit Fällen (Teil 2) – Der Einstieg in die Falllösung

Flirten macht Laune. Und es erfordert gar nicht viel Talent, allenfalls etwas Übung. Ähnlich ist es mit Jura: Wissen allein reicht nicht. Man muss es auch anwenden können. Hier hilft das Lernen mit Fällen. Teil 2 zeigt, wie der Einstieg in die Falllösung gelingt.

Die Falllösung auf einen Blick

Wer sich mit Jura beschäftigt, wird oft in die Situation kommen, mehr oder weniger umfangreiche Fälle lösen zu müssen. Dafür hat sich eine bestimmte Herangehensweise etabliert, die Methodik der Rechtsanwendung. Ein paar grundlegende Fragen und Antworten zum Lernen mit Fällen gab es bereits in Teil 1, der hier nachzulesen ist.

In Teil 2 geht es nun konkreter darum, wie der Einstieg in die Falllösung gelingen kann. Das ist wichtig. Denn wenn man sich auf eines verlassen kann, dann darauf, dass ein Fall in einer Prüfung nie exakt so drankommt, wie er beispielsweise in einer Vorlesung behandelt wurde. Das bedeutet, sich auch beim Lernen (und insbesondere der Nachbereitung einer Vorlesung) auf die Vorgehensweise beim Lösen von Fällen zu konzentrieren. Wer damit umzugehen weiß,

  • hat ein wirksames Instrument zur Hand, um unterschiedlichste Fälle in den Griff zu bekommen
  • minimiert den Stress und kann alles entspannter angehen
  • wird sich ganz auf die rechtliche Lösung konzentrieren können
Auch eine schwere Tür hat nur einen kleinen Schlüssel nötig. (Charles Dickens)

Und wie geht man nun konkret vor, wenn man einen Fall vor sich liegen hat? Hier die Falllösung auf einen Blick.

Gerade für Jura-Einsteiger ist das Vorgehen nicht immer ganz klar. Als Eselsbrücke kann das Wort SAGEN helfen.

Schritt 1: S wie Sachverhalt erfassen

Wer sich im Studium mit Jura befasst, hat es insofern leicht, weil man den Sachverhalt, also das, was sich zugetragen hat, nicht selbst ermitteln muss. Man bekommt den Sachverhalt gestellt. Dieser Aufgabentext ist der Ausgangspunkt einer jeden Fallbearbeitung.

Der erste Schritt besteht darin, den Sachverhalt aufmerksam zu lesen. Einen Sachverhalt darf man so nehmen, wie er ist. Man darf also nichts „hinzudichten“, was nicht drinsteht und sollte nichts ausblenden – es könnte ja wichtig sein. Achten Sie auf Punkte, die ihnen auffallen. Ähnlich wie beim Flirten sendet der Sachverhalt Signale aus, die rechtlich relevant werden könnten und die man natürlich wahrnehmen sollte.

Tipp: gegebenenfalls lohnt es sich bei mehr als drei Beteiligten, eine Skizze anzufertigen und darin mit Pfeilen die Beziehungen zueinander festhalten. Sofern der Aufgabentext genaue Datumsangaben enthält, stehe die meist nicht ohne Grund dort. Hier hilft es, sich eine Zeitleiste mit den wesentlichen Ereignissen anzufertigen.

Schritt 2: A wie Aufgabe beachten

Beim Lösen eines Falles ist immer eine Frage zu beantworten, die Fallfrage. Und die findet man regelmäßig am Ende des Falles. Ein genaues Verständnis der Fallfrage ist für das weitere Vorgehen entscheidend. Denn nur auf diese Frage ist einzugehen. Wer davon abschweift, verliert nicht nur viel Zeit, sondern riskiert, die Prüfung komplett zu vermasseln.

Die Fallfragen können ganz unterschiedlicher Art sein, ob es um einen Fall aus dem Privatrecht, dem Öffentlichen Recht oder dem Strafrecht handelt. Hier ein paar Beispiele aus dem Privatrecht:

A verlangt von B Schadensersatz aufgrund einer Eigentumsverletzung. Dann ist nur dieser Schadensersatz zu prüfen. C verlangt von D Nacherfüllung wegen eines mangelhaften Kaufgegenstands. Dann ist allein dieser Nacherfüllung auf den Grund zu gehen. E verlangt von F die Herausgabe eines Computers. Dann ist diese Herausgabe zu prüfen. Manchmal kann die Frage auch einfach lauten: wie ist die Rechtslage? Dann muss man selbst herausfinden, wer von wem etwas verlangen könnte. Gerade in Prüfungsarbeiten für Einsteiger findet man diese Frage allerdings nicht so häufig.

Im Öffentlichen Recht kann entsprechend gefragt sein, ob ein bestimmtes Verwaltungshandeln rechtmäßig ist und im Strafrecht, ob sich jemand z. B. wegen Diebstahls strafbar gemacht hat.

Schritt 3: G wie Grundlage(n) heraussuchen

Eine Falllösung ist kein Besinnungsaufsatz. Es geht immer darum, anhand einschlägiger rechtlicher Regelungen zu prüfen, ob die Fallfrage bejaht werden kann oder nicht. Dazu braucht man als Ausgangspunkt entsprechende Rechtsgrundlagen.

Im Privatrecht sind das die sogenannten Anspruchsgrundlagen. Auf die vorherigen Fälle bezogen wäre die Anspruchsgrundlage für das Verlangen von A der § 823 BGB (Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung), für das Verlagen von C der § 437 Nr. 1 BGB (Nacherfüllung) und für das Verlangen von E der § 812 BGB oder § 985 BGB (Herausgabe – hier gibt es sogar zwei einschlägige Anspruchsgrundlagen, es besteht eine so genannte Anspruchskonkurrenz).

Im Öffentlichen Recht oder im Strafrecht verhält es sich nicht anders. Nur heißen die Ausgangsnormen nicht Anspruchsgrundlagen sondern z. B. bei der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungshandelns Eingriffs- oder Ermächtigungsgrundlagen (Öffentliches Recht) oder es sind die einschlägigen Straftatbestände (z. B. § 242 StGB – Diebstahl).

Tipp: Ob eine Rechtsgrundlage „richtig“ ist, lässt sich leicht prüfen, indem man ein Auge auf die Rechtsfolge der Norm wirft (zur Unterscheidung von Tatbestand und Rechtsfolge gibt es mehr hier: “Gesetze knacken wie Houdini”)

Schritt 4: E wie Entwurfsskizze erstellen

Sodann ist zu untersuchen, ob die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsgrundlagen erfüllt sind. Hier empfiehlt es sich, einen Fall zunächst einmal komplett zu durchdenken. Um bei der späteren Ausarbeitung nichts zu vergessen, hält man die einzelnen Prüfungspunkte am besten im Rahmen einer kurzen Lösungsskizze fest. Als hilfreich haben sich dazu Mind-Maps erwiesen. Darin kann man zugleich die Schwerpunkte eines Falles  hervorheben. Denn es gilt die Devise: Problematisches (und damit Wesentliches) ist ausführlicher, Unproblematisches (und damit Unwesentliches) knapper abzuhandeln.

Schritt 5: N  wie Niederschrift anfertigen

Wer im vorherigen Schritt die Lösungsskizze sorgsam erstellt hat, braucht sich bei der Niederschrift nicht mehr so viele Gedanken zu machen. Der Lösungsweg und damit der rote Faden, sind ja vorgegeben. Jetzt braucht man alles nur noch alles in einem zusammenhängenden Gutachten umzusetzen. Dabei beachtet man die Subsumtionstechnik und den Gutachtenstil (speziell mit diesen beiden Aspekten werden sich die nächsten beiden Beiträge befassen). Am Ende sieht man alles noch einmal durch, gibt die Ausarbeitung ab und heizt hoffentlich eine Menge Punkte ein.

Tipp: Wer bei der Durchsicht des Gutachtens meint, mit seiner Lösung daneben zu liegen: erfahrungsgemäß lohnt es sich nicht, alles kurzfristig noch einmal über den Haufen zu werfen. Dann lieber Augen zu und durch.

 Tipps für die Lernstrategie

Für das Lernen mit Fällen empfiehlt es sich gerade dem Einstieg in die Fallbearbeitung große Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn man bereits zu Beginn die Weichen richtig stellt, hat man gute Chancen die Falllösung insgesamt auch gelingen wird. Umgekehrt kann man manches falsch machen, wenn man gerade Einstieg nicht sorgsam genug arbeitet. Deshalb sollte man bei der Lernstrategie, sich immer wieder den dritten Schritt vergegenwärtigen und sich mit den einschlägigen Grundlagen vertraut machen.

Erfolgsmomente

  • Wenn man weiß, was zu tun ist, weil der “Fahrplan” steht
  • Wenn man die Scheu vor unbekannten Sachverhalten verliert
  • Wenn das Lösen von Fällen mehr und mehr zur Gewohnheit wird
  • Wenn man das eigene Selbstmanagement verbessert

Das Wichtigste auf einen Blick

Und hier noch einmal kurz gefasst alles auf einen Blick:

Auf einen Blick: Lernen mit Fällen (Teil 2) - Der Einstieg in die Falllösung

Und wie sind die eigenen Erfahrungen mit der Falllösung? Du kennst andere, denen die Anregungen nützen können? Dann teile den Beitrag mit Freunden.

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1 Kommentar zu „Lernen mit Fällen (Teil 2) – Der Einstieg in die Falllösung“

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