Lernen mit Fällen (Teil 5) – Fehlerteufel in Klausuren

Flirten macht Laune. Und es erfordert gar nicht viel Talent, allenfalls etwas Übung. Ähnlich ist es mit Jura: Wissen allein reicht nicht. Man muss es auch anwenden können. Hier hilft das Lernen mit Fällen. Teil 5 verrät, wie man Fehlerteufel in Klausuren erkennt und ihnen den Garaus macht.

Sieben typische Fehlerteufel

In den letzten vier Teilen dieser kleinen Reihe zum „Lernen mit Fällen“ ging es darum, was diese Art des Lernens bringt (Teil 1), in welchen Schritten man bei einer Falllösung sinnvollerweise vorgeht (Teil 2), wie die Subsumtionstechnik funktioniert (Teil 3) und wie man den Gutachtenstil umsetzt (Teil 4). Und wozu das alles? Natürlich, um für den eigentlichen Ernstfall gewappnet zu sein: die nächste Klausur.

Aber wie das so ist: Da hat man sich gut vorbereitet und trotzdem schleichen sich dann noch die einen oder anderen Fehlerteufel ein. Und die sind nicht nur lästig. Ganz hartnäckige dieser Gesellen können schlimmstenfalls sogar zum Nichtbestehen führen. Dabei lassen sich viele Fehler vergleichsweise einfach vermeiden.  Welche das vor allem bei Einsteigern typischerweise sind, genau darum geht es in diesem Beitrag – getreu der Devise: „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“. Denn wer die Hürden kennt,

  • hat konkrete Orientierungspunkte
  • kann so die Klausurvorbereitung gezielter angehen
  • wird sich guten Gewissens der nächsten Prüfung stellen können
Lernen ist Erfahrung. Alles andere ist einfach nur Information. (Albert Einstein)

Ich wage einmal zu behaupten, dass man eine Klausur zumindest nicht komplett in den Sand setzen kann, wenn man sich der nachfolgenden Fehlerteufel bewusst ist.

Das Gerissene an einem Fehlerteufel: Er schleicht sich oft durch die Hintertür ein. Will man ihm auf die Spur kommen (und soll das Ganze hier nicht so abstrakt bleiben), dann lässt sich das am besten an einem kleinen Fallbeispiel veranschaulichen.

Fallbeispiel:

Anton und Berta schließen einen Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen für 5000 EUR. Was die Käuferin Berta nicht weiß: Anders als von Anton dargestellt ist der Wagen keineswegs unfallfrei. Als das schließlich zwei Tage später durch Zufall rauskommt, will Berta von dem Kaufvertrag nichts mehr wissen, der sei ja eh null und nichtig, was sie Anton auch genau so sagt. Anton verlangt dennoch den Kaufpreis. Zu Recht?

Fehlerteufel Nr. 1: Zu kreativer Umgang mit dem Sachverhalt

Ausgangspunkt einer Klausur, bei der eine Fallprüfung im Mittelpunkt steht, ist stets ein Sachverhalt. Schon beim Umgang damit können sich in der Angespanntheit der Prüfung leicht Fehler einschleichen. Beispielsweise wenn man die beteiligten Personen durcheinanderbringt oder Informationen hinzudichtet oder hineininterpretiert, die so im Sachverhalt gar nicht stehen (so genannte “Sachverhaltsquetsche”).

Der Fehler, der sich aber wohl am meisten rächt ist, die Fallfrage am Ende des Sachverhalts misszuverstehen. Im obigen Beispiel ist es ganz einfach: A will von B den Kaufpreis (5000 EUR). Das ist alles. Und genau das ist zu prüfen, wobei als Anspruchsgrundlage § 433 Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Hier geht es also nicht um Schadensersatz oder sonst etwas.

Tipp, um den Fehlerteufel hier zu vertreiben: Sachverhalte aufmerksam lesen!

Hat man einen Sachverhalt  aufmerksam gelesen, dann ist zumindest diese Hürde schon einmal gemeistert. Aber der nächste Fehlerteufel steht schon in den Startlöchern: ein fehlendes Problembewusstsein.

Fehlerteufel Nr. 2: Fehlendes Problembewusstsein

In Klausuren geht es regelmäßig darum, rechtliche Probleme zu lösen. Dazu muss man die aber erst einmal erkennen. Hier hilft das Motto dieser kleinen Reihe: Fälle lösen ist wie Flirten. Ein Sachverhalt wird dabei mal mehr oder weniger direkt entsprechende Signale aussenden. Die braucht man in der Fallbearbeitung nur aufzugreifen.

Es reicht also aus, etwas offen zu sein und im Laufe der Zeit ein entsprechendes Problembewusstsein zu entwickeln. Im obigen Fall “will Berta von dem Kaufvertrag nichts mehr wissen, der sei ja eh null und nichtig”. Sie sieht sich also an den Kaufvertrag nicht mehr gebunden.  Der rechtliche Aufhänger dafür wäre  – auch wenn er nicht so explizit im Sachverhalt genannt ist – die Anfechtung. Sollte die greifen (was zu prüfen wäre), wäre der Kaufvertrag nämlich tatsächlich nichtig (§ 142 BGB). Das Problem der Anfechtung müsste man erkennen. Aber noch einmal: Gerade in Einsteigerklausuren sind solche rechtlichen Probleme immer irgendwie im Sachverhalt angelegt. Dabei kann man Problematisches durchaus ausführlicher und Unproblematisches dagegen knapp abhandeln. Wer so vorgeht, zeigt zugleich, dass man Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden weiß.

Tipp, um den Fehlerteufel hier zu vertreiben: Ein offenes Ohr für rechtliche Probleme entwickeln!

Ein offenes Ohr für die rechtlichen Probleme zu entwickeln, ist schon ein weiterer Grundpfeiler für das Gelingen einer Klausur. Jetzt muss man nur noch alles rechtlich in den Griff bekommen. Das wird schwierig, wenn es an den Rechtskenntnissen mangelt.

Fehlerteufel Nr. 3: Mangelnde Rechtskenntnisse

Nach einer Korrektur liest man am Ende bei der Bewertung, dass Probleme zwar erahnt aber  rechtlich nicht ausreichend gewürdigt wurden. Dann fehlten regelmäßig die entsprechenden Rechtskenntnisse. Dabei sind es gar nicht mal mangelnde Kenntnisse zu Detailfragen. Wenn etwas in Einsteigerklausuren schief läuft, dann sind es eher Mängel bei den Grundlagen eines Rechtsgebiets. Daneben kennt jedes Rechtsgebiet einige “Klassiker”. Auch mit denen sollte man sich beizeiten vertraut machen.

Tipp, um den Fehlerteufel hier zu vertreiben: Sich schon frühzeitig (also nicht erst kurz vor einer Klausur) mit den Grundlagen des Rechtsgebiets und den rechtlichen “Klassikern” vertraut machen!

Im obigen Fall zählt die Anfechtung tatsächlich mit zu den Grundlagen. Die sollte man also in einer entsprechenden Klausur – neben einigen anderen Grundlagen – kennen.

Das Recht zu kennen ist aber nur eine Seite der Medaille. Wer es versäumt, die Kenntnisse in einer Klausur auch mit den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften zu belegen, öffnet eine Tür für das Hineinschleichen eines weiteren Fehlerteufels.

Fehlerteufel Nr. 4: Mangelhafte Arbeit mit Gesetzen

Wer ein Handwerk ausübt, sollte den Umgang mit dem nötigen Werkzeug beherrschen. In Jura sind das vor allem die einschlägigen Gesetze. In dieser Hinsicht kann ein Fehlerteufel gleich mehrfach zuschlagen:

  • Nicht zu sparsam! Es macht einen Unterschied, ob man irgendetwas nur ins Blaue hinein behauptet oder ob man sich dabei auch tatsächlich auf eine gesetzliche Regelung bezieht. Wer sich also im obigen Fall nicht auf die einschlägigen Regelungen zur Anfechtung bezieht (und diese auch nennt!), verschenkt leicht wertvolle Punkte.
  • Nicht missverstehen! Einzelne Vorschriften sind nicht immer ganz leicht zu verstehen. Die gute Nachricht: Die einschlägigen Regelungen wurden in aller Regel schon in der Vorlesung behandelt. In einer Klausur kommt es trotzdem immer wieder zu Missverständnissen. Manchmal werden Tatbestand und Rechtsfolge nicht sauber auseinandergehalten. Manchmal wird der Charakter einer Vorschrift missinterpretiert (wenn beispielsweise eine Regelung als Anspruchsgrundlage genannt wird, obwohl es sich gar nicht um eine solche handelt).

Tipp, um den Fehlerteufel hier zu vertreiben: Am besten macht man es sich gleich von Anfang an zu Gewohnheit, immer die Gesetzestexte heranzuziehen, um mit ihnen vertraut zu werden!

Hat man die Arbeit mit dem Gesetzestext im Griff, kann sich aber gleich der nächste Fehlerteufel bemerkbar machen, wenn man an das Subsumieren geht.

Fehlerteufel Nr. 5: Mängel beim Subsumieren

Die Subsumtion ist regelmäßig das Herzstück der Rechtsanwendung. Sich dabei Patzer zu erlauben, wirkt sich bei einer Bewertung besonders nachteilig aus. Das ist umso ärgerlicher, weil sich etwaige Fehler wirklich leicht vermeiden lassen. Dazu braucht man sich nur jeden einzelnen Schritt der Subsumtion vorzuknöpfen. In der Klausur tauchen Fehler häufig dann auf, wenn

  • einzelne Schritte im Rahmen der Subsumtionstechnik vergessen werden
  • der Sachverhalt im dritten Schritt gar nicht oder nicht ausreichend gewürdigt wird
  • das Pferd gewissermaßen von hinten aufgezäumt wird, indem man das Ergebnis voranstellt. Merke: Das Beste (= Ergebnis) kommt am Schluss!

Im obigen Fall einfach zu schreiben, dass Berta den Kaufvertrag angefochten hat, wäre eine bloße Behauptung. Stattdessen wäre (nachdem man zuvor den Anfechtungsgrund geprüft hat), auf die Anfechtungserklärung als eine weitere Voraussetzung der wirksamen Anfechtung einzugehen. Das könnte dann etwa so aussehen:

Die Anfechtung müsste erklärt worden sein (§ 143 Abs. 1 BGB) [Anmerkung: Nennen der Voraussetzung]. Eine Anfechtungserklärung ist eine Willenserklärung, durch die jemand deutlich macht, dass ein Rechtsgeschäft als von Anfang an nicht gelten soll; der Ausdruck „Anfechtung“ muss dabei nicht fallen [Anmerkung: Definition/Rechtliche Erläuterung]. Im vorliegenden Fall erklärte Berta  von dem Kaufvertrag nichts mehr wissen zu wollen, wobei sie explizit darauf abstellte, der Vertrag sei ja eh null und nichtig. Dadurch wurde zum Ausdruck gebacht, dass der zuvor geschlossene Kaufvertrag als von Anfang an nicht gelten soll [Anmerkung: Eigentliche Subsumtion]. Folglich liegt eine wirksame Anfechtungserklärung vor [Anmerkung: Ergebnis am Schluss].

Tipp, um den Fehlerteufel hier zu vertreiben: Konsequent die vier Schritte der Subsumtionstechnik beachten!

Aber auch wenn man die Subsumtionstechnik nach und nach in den Griff bekommt, so kann bei der konkreten Ausgestaltung im Gutachtenstil ein weiterer Fehlerteufel lauern.

Fehlerteufel Nr. 6: Missverständnisse beim Gutachtenstil

Die Subsumtionstechnik zu beherrschen, ist ja nur eine Seite der Medaille. Die gefundenen Ergebnisse auch gutachterlich umzusetzen, die andere. Dabei kommt der Gutachtenstil  ins Spiel. Auch hier werden leicht wertvolle Punkte verschenkt. Dabei treten vor allem zwei Fehler auf:

  • Falsche Hypothesen bilden! Bei der Rechtsanwendung fragt man sich ja immer, ob die Rechtsfolge einer Norm einschlägig ist. Das ist auch der Ausgangspunkt für den Gutachtenstil. Passt eine Rechtsfolge überhaupt? Davon ausgehend formuliert man dann eine Hypothese, die genau an der Rechtsfolge anknüpft. Ob die Hypothese zutrifft, ist dann mittels der Subsumtionstechnik anhand der einschlägigen Voraussetzungen zu prüfen (denn eine Rechtsfolge tritt ja immer automatisch ein, wenn die Tatbestandsmerkmale erfüllt sind).

Bezogen auf das Eingangsbeispiel macht es also einen Unterschied, ob man formuliert: Der Kaufvertrag könnte infolge einer Anfechtung nichtig sein (§ 142 BGB). Dazu müsste zunächst ein Anfechtungsgrund vorliegen […]. Oder aber ob man formuliert: Es könnte eine Anfechtung bestehen. Dazu müsste zunächst ein Anfechtungsgrund vorliegen […]. Im ersten Fall wird die Hypothese konkret von der Rechtsfolge  (Nichtigkeit) her  formuliert (Richtig!). Im zweiten Fall bleibt vollkommen unklar was die Rechtsfolge denn sein soll; sie wird gar nicht genannt (Falsch!).

  • In den Urteilsstil abdriften! Ein weiterer in Klausuren oft anzutreffender Fehler ist, vom Gutachtenstil  in den Urteilsstil abzudriften. Das ist schnell passiert, wenn man das Ergebnis voranstellt und dann eine “Begründung” liefert.

Wiederum bezogen auf das Eingangsbeispiel wäre es also verfehlt zu schreiben: Berta hat den Kaufvertrag wirksam angefochten, da sie …. Wer seine Klausur auf Begriffe wie “da” oder “weil” durchforstet – das sind typische Formulierungen des Urteilsstils – kann solche Fehlerteufel auf sehr einfache aber ungemein wirkungsvolle Weise ausmachen.

Tipp, um den Fehlerteufel hier zu vertreiben: Eine Norm immer von der Rechtsfolge her denken und dann in die Voraussetzungen einsteigen. Auf “da” und “weil” konsequent verzichten!

Noch ein kleiner Extratipp:  Kraftausdrücke, wie etwa “zweifelsfrei”, “offensichtlich” etc. haben in einem Gutachtenstil auch nichts zu suchen.

Hat man den Gutachtenstil ebenfalls im Griff, zeigt sich manchmal noch ein recht linkischer Fehlerteufel, der schnell zur Stelle ist, wenn man auf das Ergebnis schielt.

Fehlerteufel Nr. 7: Auf das Ergebnis schielen

Gerade Jura-Einsteiger schielen oftmals auf ein bestimmtes Endergebnis. Das wird dann möglichst zügig angesteuert. Dabei geraten dann leicht wichtige Prüfungsschritte aus dem Blickfeld. Nicht selten fallen sie sogar ganz unter den Tisch. Viel entscheidender als ein bestimmtes Ergebnis ist jedoch dessen Herleitung. Das gilt auch in der Praxis: Was nützt es einem Kläger beispielsweise, wenn er einen Prozess gewinnt, das Urteil jedoch in der Begründung Mängel aufweist, die dazu führen, dass die Entscheidung in einer nächsten Instanz wieder aufgehoben wird?

Tipp, um den Fehlerteufel hier zu vertreiben: Immer an die Maxime denken „Der Weg ist das Ziel“!

Aus den vorgenannten Gründen sind Diskussionen mit Kommilitoninnen und Kommilitonen im Anschluss an eine Klausur auch regelmäßig vollkommen überflüssig. Am besten man man beteiligt sich erst gar nicht daran.  Zu ändern ist nach einer Klausur ja eh nichts mehr. Und wer mit einem schlechten Gefühl aus einer Klausur hinausgeht, mag sich auch damit beruhigen, dass das Ergebnis im Grunde nicht so entscheidend ist. Vielleicht konnte man jedoch bei dem Weg dorthin punkten.

Tipps für die Lernstrategie

Wer die oben angesprochenen Fehlerteufel stets im Hinterkopf behält, kann sich schon beim Aneignen des Lernstoffes klausurorientiert vorbereiten. Dabei tut man gut daran, sich nicht nur auf das materielle Recht zu stürzen, sondern zugleich auch die Rechtsanwendung mit im Auge zu behalten. Was hilft es schließlich, wenn man zwar eine Menge weiß, dieses Wissen aber letztlich nicht anwenden kann?

Neben den fehlenden Rechtskenntnissen sind es zumeist die Subsumtionstechnik und der Gutachtenstil, die einen um Kopf und Kragen bringen oder – auch das kommt vor – mangelhafte Rechtskenntnisse etwas wettmachen können. Bei einer Vorbereitung kann der Austausch im Rahmen einer Lerngruppe sehr nützlich sein (wie man die organisieren kann, ist hier nachzulesen: Eine gute Idee – Die Lerngruppe).

Auch in der Prüfung selbst kann man sich die sieben Kontrollfragen stellen:

  1. Sind der Sachverhalt und die Aufgabenstellung wirklich erfasst?
  2. Wurden die rechtlichen Probleme erkannt?
  3. Sind die Rechtskenntnisse umgesetzt?
  4. Wurden die Gesetzesvorschriften ausreichend berücksichtigt?
  5. Ist die Subsumtionstechnik berücksichtigt?
  6. Kommt der Gutachtenstil zum Ausdruck?
  7. Tritt der Lösungsweg hervor?

Erfolgsmomente

  • Zeit für die Klausurvorbereitung durchdachter nutzen
  • Prüfungssorgen in den Griff bekommen
  • Bessere Klausurergebnisse einfahren

Das Wichtigste auf einen Blick

Hier noch einmal alles Wichtige im Überblick

Afuf einen Blick: Fehlerteufel in Klausuren

Und wie sind die eigenen Erfahrungen mit Klausuren und Fehlerteufeln? Du kennst andere, denen die Anregungen nützen können? Dann teile den Beitrag mit Freunden.

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