Unsere Veranstaltung „Bausteine der Willkommenskultur“ am 13. Juni 2014 in Wernigerode ist nun schon ein paar Tage her. Mein Kollege Prof. Dr. Cordes, das studentische Organisationsteam und ich sind mit der Veranstaltung sehr zufrieden. Viel wichtiger ist aber die Zufriedenheit unter den Teilnehmern, die wir mit einer Befragung ermittelt haben. Hier finden Sie eine Pressemitteilung, die über den Verlauf informiert. Wir sind derzeit dabei eine Tagungsdokumentation zu erstellen, über die ich auch in diesem Blog informieren werde. In meinem heutigen Blogbeitrag möchte ich aus persönlicher Sicht einige Aspekte herausstellen, deren Bedeutung mir im Laufe der Veranstaltung deutlich geworden sind: Ganzheitlichkeit, Segmentierung, Werteorientierung, Differenzierung, Strategie und Nachhaltigkeit.
Ganzheitlichkeit
Die Beiträge der Referenten und der Teilnehmer in den Workshops bestärken meine ganzheitliche Sichtweise. Wenn es darum geht Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, ist das Vorhandensein eines attraktiven Arbeitsplatzes Grundvoraussetzung. Arbeitgeberattraktivität alleine genügt aber nicht, sondern der Standort muss auch über entsprechende Potenziale verfügen. Hier ist in erster Linie an eine gute Infrastruktur zu denken: Ausreichender Wohnraum, interessante Kultureinrichtungen, gut ausgebaute Verkehrswege, gute Schulen usw. Ergänzend muss als dritter Aspekt ein soziales Klima hinzukommen, welches Zugewanderten die Möglichkeit bietet, sich zu integrieren und sich wohlzufühlen. So zeigte Frau Prof. Dr. Wolff – die ehemalige Wirtschafts- und Wissenschaftsministerin des Landes Sachsen-Anhalt – in ihrem Beitrag auf, dass Willkommenskultur und Standort eng miteinander verknüpft sind. Dabei geht es weniger um die Veränderung oder Anpassung des Standortes als vielmehr um die Unterstützung zugezogener Fachkräfte, sich an diesem Standort zurechtzufinden, ihn auf geeignete Weise kennen zu lernen, Orientierung zu finden, soziale Netze aufzubauen und Anschlusspunkte für die Gestaltung des täglichen Lebens und der Freizeit zu gewinnen.
Segmentierung
Im Konsumgütermarketing ist der Segmentierungsgedanke fest verankert. Unternehmen identifizieren unterschiedliche Kundensegmente und richten ihre Angebote an deren spezifischen Bedürfnissen und Wünschen aus. Für meinen Geschmack ist dieser Aspekt im Rahmen der Personalgewinnung häufig unzureichend realisiert. In vergleichbarer Weise argumentierte unser Referent Prof. Dr. Georg Felser, der in seinem Beitrag hervorhob, dass es entscheidend sei, seine Zielgruppen und deren Bedürfnisse genau zu kennen. Er konzentrierte sich in seinem Referat insbesondere auf drei bislang im Personalmarketing vernachlässigte Zielgruppen – Frauen, Ausländer und Senioren – mit der These, dass diese Zielgruppen zukünftig im Personalmarketing stärker berücksichtigt werden müssen. Hilfreich könne es seiner Meinung nach im Rahmen des Personalmarketings sein, bereits im Bewerbermanagement zu verdeutlichen, dass differenzierende Merkmale wie Geschlecht, kultureller Hintergrund, Alter usw. im Unternehmen gefragt sind.
Werteorientierung
Andreas Schubert – Geschäftsführer von Great Place to Work – sagte in seinem Vortrag einen Satz, der sich mir eingeprägt: „Wahre Schönheit kommt von innen.“ Er meint damit, dass bestimmte Werte die Arbeitsplatzkultur maßgeblich prägen und auf diese Weise Arbeitgeberattraktivität entsteht. Als elementares Merkmal steht das Vertrauen des Unternehmens zu den darin tätigen Menschen im Vordergrund. Es entsteht wiederum aus drei Komponenten: Einem glaubwürdigen Management, den respektvollen Umgang mit den Mitarbeitern und der Fairness, die im Umgang mit den Mitarbeitern herrscht. Darüber hinaus tragen auch der Stolz auf die Unternehmenszugehörigkeit und der erlebte Teamgeist entscheidend zu einer ausgezeichneten Arbeitsplatzkultur bei. Wenn man langfristig Mitarbeiter finden und binden möchte, dann scheint mir der Aufbau einer werteorientierten Arbeitsplatzkultur allemal wichtiger zu sein, als marktschreierische Anzeigenkampagnen zur Personalrekrutierung zu schalten.
Differenzierung
Durch den Vortrag von Silko Pfeil und der anschließenden Diskussion im Workshop wurde mir noch einmal klar, wie wichtig es ist, eine differenzierte Betrachtung vorzunehmen. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am SVI-Stiftungslehrstuhl für Marketing der HHL Leipzig Graduate School of Management referierte über Employer Brands im regionalen Kontext. Die Bedingungen zwischen den Regionen, Branchen und Berufen sind sehr unterschiedlich. In Bezug auf den Umgang mit Vielfalt erwähnte eine Teilnehmerin, dass es kein Problem sei, wenn eine Verkäuferin mit Kopftuch in Berlin die Kunden in einem Schuhgeschäft bedient. In der ländlichen Region wo sie herkäme, würde dies nicht akzeptiert.
Strategie
In der Betriebswirtschaftslehre kennen wir die operative und die strategische Ebene. Im betrieblichen Alltag dominiert häufig die operative Komponente. Im Marketing beispielsweise geht es um die Konzeption der nächsten Werbekampagne, um die Optimierung von Anzeigen oder das Führen von Verkaufsgesprächen. Wie wichtig aber eine gute Strategie als Grundlage des Handelns ist, offenbarte der Vortrag von Andrea Spring, Fachreferentin für Organisationsentwicklung bei der Volkswagen Financial Services AG in Braunschweig. Im Unternehmen werden konsequent die Visionen und Ziele der Strategie „WIR2018“ verfolgt. Der Erfolg gibt ihnen Recht: Das Unternehmen wurde in der Great Place to Work Studie als bester Arbeitgeber Deutschlands ausgezeichnet.
Prof. Dr. Wald von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig zeigte in seinem Beitrag auf, wie Social Media-Kanäle zur Personalrekrutierung genutzt werden können. Auch bei diesem Thema zeigte sich die Bedeutung strategischen Handelns, denn vielen Unternehmen fehlt eine Social Media-Strategie. Twitter, Facebook und Co. werden häufig sporadisch-experimentell ohne Anbindung an eine übergeordnete Strategie eingesetzt.
Nachhaltigkeit
Für mich bedeutet Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Willkommenskultur, dass die Maßnahmen nicht nur kurzfristig greifen, sondern langfristig wirken müssen. Interessant fand ich einen Beitrag eines Teilnehmers in einem Workshop, der ausführte, dass man in seiner ländlichen Region mit Erfolg Fachkräfte aus dem Ausland angeworben hat. Er schilderte den Fall eines aus dem Ausland zugezogenen Ehepaares, dem man half alle Formalitäten zu erledigen, wie zum Beispiel die Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse. Man unterstützte das Paar bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche. Die Bemühungen waren jedoch vergeblich, denn kaum waren die Formalitäten erledigt, verließ das Paar die Region, denn der Mann hatte einen gut bezahlten Job bei Ford in Köln bekommen. Dieses Beispiel zeigt meiner Meinung nach, dass es nicht darum gehen kann, kurzfristige Rekrutierungserfolge zu erzielen. Die Aufgabe besteht in der Entwicklung nachhaltiger Maßnahmen – sicherlich kein einfaches Unterfangen.
Foto: Hochschule Harz