Professoren der Hochschule Harz haben in einem vergangenen Artikel erklärt, dass die Unternehmen in der aktuellen Lage weniger Zeit für Projekte mit Studierenden haben. Aber haben sie im Lockdown auch weniger Projekte oder zu lösende Probleme? Kaum vorstellbar. Vielmehr ändern sich doch die Fragestellungen und der Umgang mit ihnen. Die Third Mission der Hochschulen erscheint mir so wichtig wie nie.
Ein Jahr voller Umstellungen
Der aufmerksame Medien-Konsument bekommt das Gefühl, dass neue Onlineshops aus dem Boden sprießen wie Pilze. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass sich der onlinekauf eines Autos so vergleichsweise wenig unattraktiv anhört? Auch die bisher häufig, so meine subjektive Wahrnehmung, eher stiefmütterlich behandelte Funktion des click and collect erfreut sich einer nie dagewesenen Beliebtheit. Sie ermöglicht es, den stationären Handel zu unterstützen. Ideen für die Lösung zeitgemäßer und neuer Probleme. Probleme, bei denen Studierende und Hochschulen ganz allgemein sowohl Geber als auch Stütze sein können.
Miteinander – Füreinander – Third Mission
Das transdisziplinäre Projekt DiNeNa (Digitales Netzwerk Nahversorgung) unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Andrea Heilmann beispielsweise befasst sich mit der Digitalisierung im ländlichen Raum. Ein Thema, das mancherorts noch lange aufgeschoben ist, spätestens im Lockdown aber allen auf die Füße fällt. Denn Homeoffice, Home-Schooling, Onlineshopping und – um den Erhalt des Familienfriedens Willen – der Konsum von Video on demand-Plattformen, funktionieren eben nicht ohne die weite Welt des Internet.
Nicht zu vergessen: die Nicht-Digital-Natives unserer Zeit. Wo ich mich zeitweise bereits aufgeschmissen fühle, ist meine Oma meist bereits seit Meilen ausgestiegen. Aber wo sie sich bisher nicht mit befassen wollte oder sich einfach nicht traute um Hilfe zu bitten, dort kommt sie nun auf mich zu. Sie entdeckt die Freuden des Onlineshoppings, den Videoanruf um ihre Urenkelin kennenzulernen und Online-Tutorials, um mit neuen Techniken auf dem nächsten Post-Corona-Handarbeitsnachmittag zu glänzen.
Aber was tun, wenn man keine Enkel*innen oder Kinder hat die helfen können? Das Third-Mission-Projekt VTTNetz und die Seniorentechnikberatung sind genau auf solche Situationen vorbereitet und unterstützen Seniorinnen und Senioren nicht erst seit Beginn der Pandemie beim Annähern an die Technik.
Lockdown im Kopf – Third Mission schafft Abhilfe
Viele von uns – und da kann ich mich nicht ausnehmen – kämpfen neben der sozialen Distanz auch mit dem fehlenden Ausgleich. Die sprichwörtlich “auf den Kopf fallende Decke” erscheint mir aktuell sehr realistisch. Was aber tun, wenn der tägliche Spaziergang durch die immer gleichen Straßen auch keine Abwechslung mehr bringt? Eine kleine Hilfe sind die digitalen Third-Mission-Angebote, wie die Generationenhochschulen der Hochschule Harz. Hier ist man bereits im vergangen Lockdown auf die remote-Lösung gewechselt und bietet eine angenehme Unterbrechung der täglichen Corona-Albtraum-Informationsflut, wie mir Janet Anders bereits berichtete.
Der Lockdown ermöglicht es uns allen, unter teilweise sehr harten Bedingungen, viel zu lernen. Ich persönlich nehme für die hoffentlich irgendwann eintretende Post-Corona-Zeit mit, dass ein persönliches Gespräch mit meinen Kolleginnen und Kollegen viel schöner ist, als ein Telefonat. Auf der anderen Seite bin ich aber auch sehr beeindruckt, wie innovativ viele von ihnen mit der Situation umgehen und neue Ansätze für die zu bewältigenden Aufgaben entwickeln.
Studieren in der Pandemie
Auch die Studierenden beeindrucken mich. Denn auch sie müssen mit curricularen Anforderungen wie einer Projektarbeit oder einer Abschlussarbeit klarkommen, die sie gern anders angegangen wären. Dennoch lassen sie sich nicht entmutigen, sondern entwickeln tapfer Lösungen.
Eine solche Studentin ist Aileen Salomon. Sie schreibt derzeit ihre Masterarbeit im Studiengang Konsumentenpsychologie und Marktforschung und arbeitet bereits bei einem Dienstleister für Personalvermittlung. Aileen erklärt mir im Gespräch, dass der Lockdown sich für sie unterschiedlich ausgewirkt hat.
Aileen Salomon – eine Third-Mission-Masterarbeit
Ihr Thema sei dadurch wichtiger geworden, denn Aileen befasst sich mit Strategien zur Kundenbindung. Da die Neukundengewinnung derzeit relativ komplex ist, sei es in Zeiten einer solchen Kriese umso wichtiger die Bestandskunden zu halten. Etwas, das vielen Unternehmen gerade wieder sehr bewusst wird. Der Kontakt zu ihren Betreuern wird durch die Maßnahmen nicht negativ beeinflusst. Im Gegenteil: Da Aileen derzeit weit entfernt vom Hochschulstandort wohnt, ist es für sie sogar praktisch, dass alles per Mail, Telefon oder Videokonferenz stattfinden kann. Auch mit dem Unternehmen gibt es keinerlei Probleme. Hier konnten die Abstimmung ebenfalls remote erfolgen. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass Aileen sich vielleicht positiv äußern musste. Ich bin eine der Betreuerinnen.
Auch die Bearbeitung des Themas verläuft für Aileen durch die Maßnahmen etwas einfacher. Da sie auf die Meinungen und Erfahrungen der Kunden angewiesen ist, mussten Interviews geführt werden. Unter normalen Umständen wären diese persönlich durchgeführt worden. In Anbetracht der Situation keine gute Idee, also stieg Aileen auf Telefoninterviews um. Dafür war die Terminfindung bedeutend einfacher. Zum einen, weil die Interviewpartner das Gefühl hatten, dafür weniger Zeit einplanen zu müssen und zum anderen, weil sie auch in der Freizeit für Gespräche bereit waren. Sie konnten ja ohnehin nicht viel unternehmen.
Die Regel oder die Ausnahme?
Einige ihrer Freundinnen haben es da weniger gut getroffen. Viele hatten mehr Probleme überhaupt einen Platz für eine bezahlte Masterarbeit zu finden, da die angefragten Unternehmen in der unsicheren Situation natürlich vorsichtig haushalten mussten. Einige Abschlussarbeiten wurden von Unternehmen auch kurzfristig gestrichen oder die eigentlich geplante Festanstellung im Anschluss daran musste abgesagt werden. Dem Problem im Anschluss an den Studienabschluss im Corona-Jahr 2020 eine Anstellung zu finden, stehen auch Studierende anderer Fachrichtungen gegenüber, wie ich von persönlichen Gesprächen weiß.
Aileen ist ein gutes Beispiel dafür, dass Abschlussarbeiten mit Unternehmen auch in Zeiten von Corona funktionieren können, wenn es dem Unternehmen denn möglich ist und das Thema eine Bearbeitung unter Einhaltung der Maßnahmen zulässt.
Fazit
Wie gesagt: Der Lockdown ermöglicht es uns allen, unter teilweise sehr harten Bedingungen, viel zu lernen. Ich bin sehr beeindruckt, wie innovativ viele meiner Kolleginnen und Kollegen und die Studierenden mit der Situation umgehen und neue Ansätze für die zu bewältigenden Aufgaben entwickeln. Sie lassen sich nicht unterkriegen und finden stetig neue Möglichkeiten, auch auf Distanz in die Gesellschaft zu wirken.