Schaffung touristischer Reiseerlebnisse durch Einheimische

Prof. Dr. Sven Groß von der HS Harz ist seit fast 15 Jahren auch Mitglied des New Zealand Tourism Research Institute (NZTRI), das im Rahmen seiner Projekte der lokalen Bevölkerung eine besondere Bedeutung für die Entwicklung des Tourismus beimisst. Im Anschluss an seine Promotion am New Zealand Tourism Research Institute (NZTRI) entwickelte Dr. Dominik Huber (heute bei Outdooractive tätig) in Zusammenarbeit mit Professor Groß ein Forschungsprojekt über touristische Zusammenhänge zwischen zwischen Einheimischen und Gästen in Garmisch-Partenkirchen. Diese Arbeit wurde inspiriert durch die langjährige Tätigkeit von Herrn Huber am NZTRI.

Wichtige Ergebnisse

Der Tourismus kann nur dann nachhaltig entwickelt werden, wenn er einerseits durch die lokale Bevölkerung unterstützt wird und anderseits einen positiven Beitrag für die Menschen und die Entwicklung der Region leistet.

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Cover des Buches

Die aktuelle Corona-Pandemie hat schwerwiegende Folgen für den Tourismus. Während einige Destinationen von den Touristenströmen praktisch vollständig abgeschnitten sind (man denke hier an Fernreiseziele und Kulturtourismus in urbanen Räumen), werden Hotspots gerade in der Nähe von Metropolregionen aufgrund der Reisebeschränkungen in den Quellenländern von erholungssuchenden Tagesausflüglern teilweise regelrecht überrannt. Daraus ergibt sich ein wachsender Druck auf die touristische Infrastruktur und auch das Verhältnis zwischen Einheimischen und Gästen gerät aus dem Gleichgewicht. Hier setzt das Forschungsprojekt an und untersucht auf Grundlage qualitativer Forschungsmethoden das Verhältnis zwischen einheimischer Bevölkerung und Besuchern am Beispiel von Garmisch-Partenkirchen. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf der wissenschaftlichen Fragestellung, wie Einheimische ihre Rolle in der Gestaltung touristischer Erlebnisse wahrnehmen.

Garmisch-Partenkirchen (Foto: Gerhard G. von Pixabay)

Die Ergebnisse der qualitativen Studie zeigen, auf welch unterschiedliche Art und Weise Einheimische zu touristischen Erlebnissen beitragen können. Dazu wurde ein Modell entwickelt, welches zwischen aktiver und passiver Gestaltung unterscheidet. Einige TeilnehmerInnen der Studie nahmen eine aktive Rolle in der Schaffung touristischer Erlebnisse ein als andere. Hierzu gehören v.a. diejenigen, die in der Tourismuswirtschaft arbeiten oder bei kulturellen Veranstaltungen mitwirken. Hiermit wird eine Möglichkeit zum Austausch zwischen Gastgebern und Touristen geschaffen. Für die Co-Kreation von Reiseerlebnissen spielt die lokale Bevölkerung nach den Ergebnissen der Untersuchung dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Die Studie zeigt, dass Einheimische auch eine passive bzw. eher unbewusst auftretende Rolle bei der Gestaltung von touristischen Erlebnissen einnehmen können. Dies ist z.B. der Fall, wenn sie sich eher als Teil der lokalen kulturellen Kulisse verstehen, wie durch das Tragen traditioneller Tracht.

Die Ergebnisse legen auch nahe, dass das Umfeld die Möglichkeiten für ein Zusammentreffen und den Austausch zwischen Gastgebern und Gästen (negativ) beeinflussen können. Hierzu gehören u.a. folgende Veränderungen:

  • veränderte Geschäftsmodelle (z.B. kontaktloser Service),
  • Arbeitsmarktentwicklung (unattraktive Arbeitsbedingungen für Einheimische und damit einhergehender Verlust sozialen/kulturellen Kapitals im touristischen Sektor),
  • kulturelle/soziale Verankerung mit der Destination,
  • der generelle Trend hin zu kürzeren Aufenthalten (in Garmisch-Partenkirchen).
Ansicht in Bayern (Foto: Eknbg von Pixabay)

Aus den Ergebnissen dieser Studie lassen sich Handlungsanweisungen für Destinationsmanagementorganisationen (DMOs) und politische Entscheidungsträger ableiten. Beispielsweise sollten DMOs die Rolle der lokalen Bevölkerung bei der Schaffung von Reiseerlebnissen stärker berücksichtigen. Diese können aufgrund persönlicher Bindungen einen wertvollen Beitrag zur Zufriedenheit der Gäste leisten und somit zur Loyalität gegenüber der Destination beitragen. Zudem erfordert erfolgreiches Tourismusmanagement die Unterstützung der lokalen Bevölkerung. Dies wird bspw. an der aktuellen Debatte über ein zu hohes Besucheraufkommen in einigen touristischen Hotspots in Bayerns Voralpenregionen deutlich.

Digitale Kommunikationskanäle und Management-Tools zum effektiven Innenmarketing könnten hier genutzt werden, um ein besseres gegenseitiges Verständnis im Sinne einer Gemeinwohl-Ökonomie zu schaffen.

Veröffentlichung

Huber, D. & Gross, S. (2020): Local residents’ contribution to tourist experiences: A community perspective from Garmisch-Partenkirchen, Germany, in: Tourism Review (akzeptiert) 

Weitere aktuelle Publikationen der Autoren

Groß, S. & Huber, D. (2020): Tourist information boards on motorways – perception, memory and decision support. in: Journal of Qualitative Research in Tourism 1(1), S. 28-50, https://doi.org/10.4337/jqrt.2020.01.02

Groß, S. (Hg.): Touristische Beschilderung an deutschen Autobahnen. Touristische Unterrichtungstafeln: Wahrnehmung, Effekte, Entscheidungsverhalten, UVK Verlag, München 2020

Groß, S. & Felser, G. (2020): Touristische Beschilderung – Wahrnehmung und Erinnerung der touristischen Unterrichtungstafeln an deutschen Autobahnen, in: Zeitschrift für Tourismuswissenschaft 12(01), S. 7-37, https://doi.org/10.1515/tw-2020-0001

Groß, S. (2020): Deutsche Tourismusforschung – Eine empirische Untersuchung, in: TourismusWissen – quarterly 19/2020, S. 7-13

Huber, D. (2019): A life course perspective to understanding senior tourism patterns and preferences, in: International Journal of Tourism Research. 21(3), S. 372-387. https://doi.org/10.1002/jtr.2268.

Huber, D., Milne, S. & Hyde, K. (2019): Conceptualizing senior tourism behaviour: A life events approach, in: Tourist Studies. 19(4), S. 404-433. https://doi.org/10.1177/1468797619832318.

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